Nachrichten aus dem Kreisverband

Was machen wir mit einer Million?

Gemeinderats-Fraktion

Sieh mal an! Kaum zu glauben, der Gemeinderat Tübingen verschenkt eine Million! Gerade in den Gemeinderat nachgerückt, hatte ich schon in der ersten Sitzung ein Erlebnis der besonderen Art. Der Sachverhalt, der zur Abstimmung stand: 2009 verkauft die Stadt der Firma Manz zur Betriebserweiterung ein Gelände von 14 815 Quadratmetern zum Preis von 80 Euro pro Quadratmeter. Allerdings unter der Bedingung, dass innerhalb von zehn Jahren gebaut werden muss, ansonsten kann die Stadt das Grundstück zum Verkaufspreis zurück erwerben. Gebaut wird nichts, 2019 wird die Frist noch einmal bis Ende 2022 verlängert.

Bebaut wird dann immer noch nicht, aber Manz hat eine andere Idee. Im Dezember 2021 wird ein Teil des Grundstücks an eine andere Firma verkauft, die bis 2026 auf dem Gelände bauen will. Nun ist nach der vertraglichen Regelung dies allerdings nur mit Zustimmung des Gemeinderats möglich. Dies ist auch gut so, will Tübingen doch zu Recht sicherstellen, dass städtischer Boden für nachhaltiges Gewerbe verwendet und nicht zur Spekulation missbraucht wird.

Am Donnerstag kam daher der Verkaufswunsch der Firma zur Abstimmung im Gemeinderat. Angesichts der Sachlage musste es schon recht befremdlich anmuten, dass der Beschlussantrag der Verwaltung tatsächlich vorschlug, dem Verkauf zuzustimmen. Und das, obwohl in derselben Vorlage der aktuelle Bodenrichtwert beim Weiterverkauf des Geländes mit 145 Euro taxiert wird und ein Rückkauf zu 80 Euro pro Quadratmeter im Januar 2023 möglich wäre. Satte 65 Euro Mehrerlös pro Quadratmeter für Manz oder knapp 1 Million Gewinn aus dem Grundstücksgeschäft mit der Stadt Tübingen! Wenn das kein Spekulationsgewinn ist!

Die Linke stellte jedenfalls den Antrag, dem Verkauf nicht zuzustimmen und das Grundstück zurückzukaufen. Ein Weiterverkauf an die am Erwerb interessierte Firma wäre auch dann ohne große Verzögerung möglich. Was in der Aussprache des Gemeinderats folgte, lässt sich kaum fassen. Mit Ausnahme einer Fraktion war der Tenor der Stellungnahmen insbesondere der großen Fraktionen unisono: Ja, der Deal sei unglücklich gelaufen, es gäbe gewisse Bedenken zuzustimmen, der Weiterverkauf mit viel höherem Erlös sei problematisch. Trotzdem werde dem Verkauf zugestimmt. Begründung: keine; lediglich, die Sache solle jetzt schnell vom Tisch (warum eigentlich?). Liebe Ratskolleginnen und -kollegen, diesen Umgang mit Steuermitteln werden Sie Ihren Wählern erklären müssen!