Nachrichten aus dem Kreisverband

Umstrittene Zuständigkeit

Margrit Paal, Kreisrätin der Linken
KV TübingenPosition

Oh Wunder - in der ersten Legislaturperiode mitzuerleben, wie ein Antrag der Linken auf Initiative der Freien Wähler mit Verweis auf die Geschäftsordnung von der Tagesordnung genommen wird. Begründung: Unzuständigkeit des Landkreises. Es wurde also nicht darüber debattiert, ob der Landrat sich in der Trägerversammlung des Jobcenters Tübingen dafür einsetzt, dass die Sanktionen bei Hartz IV vorübergehend ausgesetzt werden. Und zwar bis das Bundesverfassungsgericht darüber beschließt, ob diese verfassungswidrig sind.

Aktuell wird darüber verhandelt, ob ein "Existenzminimum" noch gekürzt werden darf und ob die Pflicht, jedes Arbeitsangebot anzunehmen, gegen die im Grundgesetz verankerte freie Berufswahl verstößt. Bis auf die SPD stimmten alle Fraktionen für Nichtbehandlung - diese verband es mit der Ankündigung, gleichzeitig den Antrag abzulehnen. Redebeiträge gab es laut Satzung nur zur Geschäftsordnung, die Zuständigkeit des Kreistags blieb offen. Fragt sich nur, wieso der Landkreis Stellen im Jobcenter finanziert und der Landrat Vorsitzender der Trägerversammlung ist. Diese kann zwar keine Dienstanweisungen für die Beschäftigten im Jobcenter erlassen. Allerdings wäre ein Konsens denkbar, den Ermessensspielraum bei der Antragsbearbeitung wohlwollend auszulegen und Sanktionen weitestgehend zu unterlassen.

Das Existenzminimum bei "Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht" zu kürzen trifft diejenigen, die kaum etwas besitzen. Das schmerzt in einem Ballungsgebiet mit hohen Lebenshaltungskosten mehr als im Thüringer Wald. Außerhalb von Talkshows ist Armut ein Papiertiger, und sie findet grundsätzlich nicht vor der eigenen Haustüre statt. Eckstein, Eckstein, Armut muss versteckt sein.

Und Kommunalpolitik ist Darwinismus: Groß frisst Klein, ein Antrag ohne Mehrheit endet auf dem Abstellgleis. Oder wird darüber doch an der Wahlurne abgestimmt? Hartz IV ist aber nicht nur Erwerbslosigkeit, sondern auch Aufstocken, wenn der Lohn nicht reicht. Das tun laut Jobcenter 33 Prozent aller "Leistungsbezieher" im Kreis. Umso wichtiger ist, dass die Tarifrunden bei den privaten Busunternehmen oder im Länderbereich erfolgreich verlaufen. Dort wird für Löhne gestreikt, die im besten Fall den Gang zum Jobcenter ersparen. Richtig wäre, wenn der Kreistag Linien im ÖPNV nur an tarifgebundene Unternehmen vergibt. Zumindest die Zuständigkeit ist da nicht strittig.