Nachrichten aus dem Kreisverband

Trauer um Gerhard Bialas

Die Linke in Tübingen

„Die Schwachen kämpfen nicht.
Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang.
Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre.
Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang.“
Bertolt Brecht

Gerhard Bialas

* 21. Juli 1931 † 12. Juli 2022

Unermüdlich war sein Wirken für eine friedliche und gerechte Welt. Über viele Jahre verkörperte er sozialistische Kommunalpolitik in Tübingen und brachte die großen und kleinen Nöte der Menschen ins Rathaus und den Kreistag.

In großer Dankbarkeit und Trauer
Wählervereinigung Tübinger Linke e.V.
DIE LINKE, Kreisverband Tübingen
Gemeinderatsfraktion und Kreistagsfraktion

 

„Die Schwachen kämpfen nicht.
Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang.
Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre.
Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang.“
Bertolt Brecht

Gerhard Bialas

* 21. Juli 1931 † 12. Juli 2022

Unermüdlich war sein Wirken für eine friedliche und gerechte Welt. Über viele Jahre verkörperte er sozialistische Kommunalpolitik in Tübingen und brachte die großen und kleinen Nöte der Menschen ins Rathaus und den Kreistag.

In großer Dankbarkeit und Trauer
Wählervereinigung Tübinger Linke e.V.
DIE LINKE, Kreisverband Tübingen
Gemeinderatsfraktion und Kreistagsfraktion

 

Die Trauerrede von Lothar Letsche am 08. August 2022 auf dem Bergfriedhof Tübingen

Wir nehmen heute Abschied von Gerhard Bialas, der am 12. Juli gestorben ist.
Mein Name ist Lothar Letsche. Ich war Gerhard 41 Jahre durch die politische Arbeit in der DKP verbunden. Gerhards Solidarität mit Berufsverbots-Betroffenen hat mir viel geholfen.
Die Familie hat mich gebeten, heute zu sprechen. Für diese große Ehre bedanke ich mich.

Liebe Christine, liebe Dorle, liebe Anne, lieber Rainer, lieber Rolf, lieber Stefan,
liebe 14 Enkel und 8 Urenkel und Angehörige von Gerhard Bialas,
euch fehlt jetzt der Vater, Schwiegervater, Opa, Uropa. Nach dem Tod von Christa war er der Mittelpunkt eurer Familie, für die der Zusammenhalt immer so wichtig war. Ihr habt eure Eltern wirklich lieb gehabt. Die Herzlichkeit eurer Familienfeiern, an denen ich ab und zu als Gast teilnehmen durfte, hat mich immer sehr berührt. Euch gilt mein und unser tiefes Mitgefühl. Wir müssen auch Abschied nehmen von einem ganz besonderen Freund, Genossen, Mitstreiter und Mitbürger, den wir jetzt nicht mehr um Rat fragen können.

Vor einem Jahr kam zu Gerhards 90. Geburtstag das Buch über ihn heraus, verfasst von Gisela Kehrer-Bleicher und Martha Stirner. Es ist nur ein kleiner Trost, dass wir uns damals noch persönlich bei ihm für all das bedanken konnten, was er in seinem Leben für uns geleistet hat. Ohne seine Frau Christa wäre ihm das nicht möglich gewesen. Sie war stets an seiner Seite und unterstützte ihn. Sich um sie zu kümmern, ihr das Pflegeheim zu ersparen, als sie gesundheitlich immer weiter abbaute, das war seine letzte große Aufgabe gewesen.

Sehr getroffen hat ihn dann am 11. Mai auch der plötzliche Tod unseres jahrzehntelangen Mitstreiters von der Gesellschaft Kultur des Friedens Henning Zierock. Mit ihm zusammen hatte Gerhard 1988 - in Anwesenheit auch des im letzten Jahr verstorbenen Mikis Theodorakis - die Friedenslinde auf dem Gräberfeld X des Tübinger Stadtfriedhofs gepflanzt.

 

Gerhard Bialas wurde am 21. Juli 1931 als drittes von fünf Kindern im damaligen Schweidnitz in Schlesien geboren, Er wuchs dort auf, bis die Familie am 17. Februar 1945 einen Bus besteigen musste. Im März 1945 kam er in Oberfranken an. Mit 17 Jahren verlor er durch die Leiden des Krieges seine Mutter.

Fünf Jahre später lernte er in Erlangen-Bruck Christa Erben kennen. Sie war auf ähnlichen Wegen von Waldenburg-Altwasser dorthin gelangt. Nach einer Gärtnerlehre in Forchheim verschlug es Gerhard zunächst nach Horb. Christa machte eine Ausbildung zur Geflügelzüchterin in Ludwigsburg. Doch die Liebe blieb erhalten. Am 29. Mai 1954 heirateten die jungen Leute und blieben für den Rest ihres Lebens zusammen in Tübingen.

Ihr wachsender Kindersegen erforderte in dieser Stadt immer wieder Umzüge in größere Wohnungen und auch den Erwerb zusätzlicher landwirtschaftlicher Grundstücke.

Denn neben einer guten Schul- und Berufsausbildung, die das Lernen eines Musikinstruments einschloss, bekam jedes der sechs Kinder auch ein eigenes "Stückle" zum selber Bewirtschaften. Die Kinder wurden in alle Arbeitsabläufe mit einbezogen, so wie das dem Alter entsprechend möglich war.

Nachhaltigkeit haben die Kinder im doppelten Sinn gelernt und vorgelebt bekommen - als Prinzip des regenerativen Umgangs mit der Natur - und als Nutzung dessen, was man hat, so lange wie es nutzbar ist, statt es einer Mode folgend wegzuschmeißen.

Denn der lohnabhängige "Brotverdiener" der zuletzt 8köpfigen Familie war ja nur der Gerhard. 1952 wurde er Landschaftsgärtner in der Gärtnerei Weimer und am 15. Juni 1966 legte er die Meisterprüfung ab.

Ab 1968 arbeitete er im Neuen Botanischen Garten der Universität, bis er am 30. September 1995 in Rente ging. Dort entstand sein eigentliches Meisterwerk, um nicht zu sagen berufliches Lebenswerk: die Neugestaltung des Ökologischen Alpinums. Um Pflanzen aus verschiedenen Bereichen der Alpen authentisch anpflanzen zu können, wurden die richtigen Gesteine nach Tübingen gebracht, und ihr jeweiliges natürliches Habitat sozusagen nachgebaut. Auch im Berghaus Iseler der Universität Tübingen in Oberjoch baute Gerhard eine Außenanlage mit alpiner Pflanzensammlung einschließlich Lehrpfad. Dazu gehörten natürlich Fahrten an die Orte, wo die Pflanzen geholt wurden, und Exkursionen mit den Studierenden. Gerhards Sachkunde und Ideenreichtum auf diesem Gebiet genoss höchstes Ansehen auch bei seinen Chefs und dem Fachpublikum - wie der verstorbene Prof. Franz Oberwinkler das in dem Video, das Gerhard zum 80. Geburtstag von den Kindern geschenkt wurde, eindrucksvoll bestätigt. "Ich finde, dass er ganz geglückte Gratwanderungen gemacht hat, sowohl in Tübingen als auch in den Alpen," sagte Prof. Oberwinkler, und beschrieb Gerhards Lebenseinstellung: "Man muss die Gipfel stürmen und seinen Spaß dabei haben, und an diesem Spaß auch die anderen teilhaben lassen".

Und nicht zu vergessen: Gerhard war zeitweise die Stimme der "nichtwissenschaftlich" Beschäftigten im Senat der Universität. Nominiert von seiner Gewerkschaft, damals ÖTV. Er wusste in diesem akademischen Umfeld den Anliegen seiner Kolleginnen und Kollegen Respekt zu verschaffen und wurde auch in den Personalrat gewählt.


Auch auf einem anderen Gebiet war Gerhards Kompetenz höchst geschätzt: dem Umgang mit Bienenvölkern. Damit begann er schon mit 10 Jahren in Schlesien. Die Imkerei war dann bis zu seinem 90. Geburtstag eine seiner Leidenschaften. Der Bienenstand im Schwärzlocher Täle war sozusagen Gerhards und Christas Fluchtburg, aber natürlich gab es für die
Bienenstöcke ständig wechselnde Standorte für die unterschiedlichen Honigsorten.

Bei seinen Aktionsständen durfte der Honig nicht fehlen, und ich bin sicher nicht der einzige, der sich dankbar an das Gläsle Honig erinnert, das man bei einem Besuch schon mal mitbekam oder das für eine gute Sache gespendet wurde.

Gerhards Wissen und seine Begeisterung für die Bienen gab er im Imkerverein weiter, der ihn zum Ehrenmitglied ernannte. Er erhielt die Ehrennadel in Gold verliehen. Immer wieder gewährte er Schülern einen Einblick in die Bienenzucht. "Was ich immer sympathisch fand“, wird er zitiert, „ist, dass im Arbeiterinnenstaat die Königin abgesägt werden kann."

Die Zeitumstände waren nicht so, dass Gerhard eine weiterführende Schule oder gar Hochschule besuchen konnte. Seine Fähigkeit, sich auszudrücken und die Menschen anzusprechen, hat er wahrscheinlich geerbt und sich immer mehr angeeignet. Nicht nur in den vielen Reden, die er im Leben gehalten hat, konnte er hervorragend und verständlich die Dinge auf den Punkt bringen. Er hat sein Leserbrief-Kontingent im Schwäbischen Tagblatt immer ausgeschöpft. Er konnte erzählen und vor allem Gedichte schreiben. Ausdrücklich wünschte ihm der alte OB Dr. Eugen Schmid zum 80. Geburtstag, "dass seine poetische Ader noch lange nicht versiegen möge".

Mit Christa zusammen sang Gerhard im Tübinger Volkschor - einer traditionsreichen parteiübergreifenden Institution der Tübinger Arbeiterbewegung, die bis 1976 bestand.

 

Den meisten der Anwesenden dürfte Gerhard durch die eine oder andere Form seines sozialen und politischen Engagements bekannt sein. Das kann ich hier unmöglich umfassend schildern und würdigen. Ich beschränke mich auf ein paar Kapitelüberschriften aus dem Buch und Stichworte:

Warum wird so einer Kommunist? FDJ, KPD und Kalter Krieg.
Gerhards Schlüsselerlebnisse waren da die 3. Weltfestspiele der Jugend im August 1951 in Berlin, sein Eintritt in die KPD am 19. Oktober 1951, und das KPD-Verbot am 17. August 1956. Er schloss sich dann der Deutschen Friedens-Union an.
Später gehörte er zeitweise dem Bezirks- und Parteivorstand der DKP an.

Der Kampf ums Teewasser - Kommunalpolitik
Das Engagement in Bürgerinitiativen war ein untrennbarer Bestandteil davon:
Die Weststadt-BI gibt es heute noch.
Aber es gab auch weitere Initiativen wie Nordtangente, B27 neu - noi, Ammertalbahn ...
Für 30 Jahre im Gemeinderat und 21 Jahre im Kreistag erhielt Gerhard Auszeichnungen. Wir werden darüber noch etwas hören.
Seine Sitzungsgelder hat er übrigens immer an seine Partei und später die Tübinger Linke abgeführt.

Den linken Fuß in der Rathaustür halten - mit der Wählervereinigung Tübinger Linke.

Nie wieder Krieg - Wohnungen statt Kasernen.

Nie wieder Faschismus - gegen alte und neue Nazis.
1976 trat Gerhard der VVN-BdA bei. Er war nicht nur ein "Akteur der Tübinger Erinnerungskultur". Er hielt auch die Grabreden für Teilnehmer des Mössinger Generalstreiks, sprach bei den Kundgebungen an Jahrestagen dieses Ereignisses, und war einer der Initiatoren der Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen.

Bespitzelt bis zum Grab - 70 Jahre Überwachung durch den Verfassungsschutz.
Nur denen, die das anordneten, machten und duldeten, scheint das bis heute nicht peinlich zu sein.

Ein Zitat aus dem Buch erlaube ich mir, von Jürgen Jonas (S. 231):
Gerhard Bialas war, auf seinem Posten, immer ein Meister des Verknüpfens. Ein listiger Vertreter seiner Klasse, der, unterwegs mit Geduld und Zähigkeit, auch schwere Niederlagen ertrug und den Kampfgeist nicht an den Nagel der Resignation hängte.
Dies alles aber, was Gerhard Bialas gelebt und gewirkt hat, wäre nicht möglich gewesen ohne seine Frau Christa. Beides gute Maulwürfe. Treffliche Unterminierer, wie Marx sagte. Sie eine gute Genossin. Er ein guter Genosse. Besseres kann man von Menschen überhaupt nicht sagen.
Der junge Mann aus Schweidnitz, der einst nach Tübingen kam, erkundigte sich nach dem Kommunismus. Den die Dummköpfe dumm nennen und die Schmutzfinke schmutzig. Auf seine Fragen bekam er Antworten. Denn 'Überall, wo ich hin kam, war ein Kommunist'.
Möge es wieder so werden. Es gibt viele neue Fragen.

Und eine Kapitelüberschrift des Buches heißt: Von Gerhard Bialas lernen.
Ja, das können wir. Damit ehren wir sein Andenken.
Ich danke für eure, Ihre Aufmerksamkeit.