Nachrichten aus dem Kreisverband

Solidarität statt Autorität

Kreistags-Fraktion

Der Staat ist mächtiger denn je. Regiert wird mit geringer Parlamentsbeteiligung und mit Verordnungen. Die Schuldenbremse ist ausgesetzt, Milliarden werden für die Wirtschaft bereitgestellt. Sogar zum strategischen Einkauf in „systemrelevante“ Unternehmen ist der Staat bereit – nur nicht zur Finanzierung seiner Daseinsvorsorge. Im Landkreis ist das zu spüren: pandemiebedingte Mehrarbeit führt zur Überlastung der Beschäftigten. Die Kontaktnachverfolgung ist personell nicht mehr zu leisten. Dafür kommt die neue Aufgabe, die „einrichtungsbezogene Impfnachweispflicht“ ab 16. März umzusetzen. Bald darf das Gesundheitsamt Betretungsverbote für Beschäftigte von Kliniken und Pflegeheimen aussprechen, wenn diese nicht geimpft sind. Doch wie umsetzen, wenn es überall an Personal mangelt?

Einst wurden die „Systemrelevanten“ bejubelt und beklatscht. Die unmenschlichen Zustände von Überarbeitung, Personalmangel und niedrigen Löhnen blieben gleich. In den Arbeitskämpfen fehlte die gesellschaftliche Solidarität und die notwendige Lohnerhöhung. Prämien gibt es für die Intensivpflege, der Rest des Personals in Kliniken, Pflegeheimen, im Einzelhandel, in den Kitas geht leer aus. Es sind die Frauen, die durch diese Arbeit die Gesellschaft am Leben halten. Ein Grund mehr am 8. März, dem Internationalen Frauentag, für gute Arbeit und gegen Ausbeutung auf die Straße zu gehen.

Der Staat greift weitreichend in die Privatsphäre ein, legt fest, welche Personenanzahl zuhause zulässig ist und wann und wie oft wir uns „kontrollieren“ lassen müssen. Kontrollen sind die neue Normalität. Früher hat die Gesellschaft geschlossen gegen Grundrechtseingriffe protestiert. Heute stellt sie sich gemeinsam mit der Regierung der „notwendigen Zumutung“ – oder demonstriert bei Aufmärschen mit rechter Beteiligung.

Das Virus nimmt uns seit zwei Jahren alles: Familientreffen, Vereinsleben und Kultur. Nur arbeiten dürfen wir, und das oft unter schlechten Bedingungen. Der Druck in den Betrieben ist enorm: Testpflichten außerhalb der Arbeitszeit, Offenlegen des Impfstatus, Streichung von Lohnfortzahlung in Quarantäne ohne Booster-Impfung. Die Verantwortung der Arbeitgeber für den Arbeits- und Gesundheitsschutz wird schleichend auf die arbeitenden Menschen übertragen und bringt zunehmend die Gewerkschaften unter Druck.

Dabei ist die generelle Antwort auf die Pandemie nicht Autorität, sondern Solidarität und Wohlwollen. Das sollten wir auch in der Debatte um eine Impfpflicht nicht vergessen. Hoffentlich wird das Jahr 2022 in jeder Hinsicht entspannter, um dringende und wichtige Diskussionen zu führen. Es gäbe viel zu reden: die Einzigen, die nie ruhen, sind das Virus und der Kapitalismus – und mit ihnen Hunger, Krieg und Ausbeutung.