Nachrichten aus dem Kreisverband

Krieg erzeugt Massenflucht

Rede von Heike Hänsel MdB auf der Kundgebung zum Antikriegstag in Tübingen

Entsetzen über tote Flüchtlinge im Mittelmeer, Bestürzung über tätliche Angriffe auf Migranten, Erschütterung über Brandanschläge gegen geplante Unterkünften für Asylbewerber. Allerdings vor allem nette Worte und Gesten parat, gleichzeitig denken diesselben Politiker jedoch über repressive Maßnahmen nach, sei es die Errichtung von Zäunen mit NATO-Draht, der Einsatz der Armee, die Forderung nach Einbeziehung der NATO, eine beschleunigte Abschiebung und die Definition »sicherer Herkunftsländer«, oder der Einsatz von Militär zum Kampf gegen vermeintliche oder tatsächliche Menschenschmuggler. Die Bestürzung über diese Toten ist heuchlerisch und verlogen, wenn daraus keine Konsequenzen gezogen werden und die europäischen Regierungen weiterhin auf Abschottung setzen! Sie sind mitverantwortlich für diese Toten! Deshalb muss der EU der Friedensnobelpreis aberkannt werden! Wir fordern, endlich die Grenzen zu öffnen nach Europa, legale Einreisewege, Transportkapazitäten und humanitäre Visa. Nur so können Menschen davor bewahrt werden, im Mittelmeer zu ertrinken oder in LKWs elendig zu ersticken!

Gleichzeitig betreiben dieselben Regierungen jedoch alles Erdenkbare, um die Massenflucht in Richtung Europa noch zu verstärken. Denn die meisten der Flüchtlinge aus Ländern kommen, in denen Mitgliedstaaten der NATO Krieg führen oder zumindest unterstützen. Flüchtlinge aus Afghanistan, dem Balkan, dem Irak, Syrien und Libyen usw. gibt es doch nur, weil ihnen die Existenz durch NATO-Angriffskriegen zerstört wurde und weil die radikalen Kräfte mit Waffen ausstattet wurden, die in diesen Ländern wüten. Das heißt dann, Demokratie exportieren. Jetzt werden aber die “Schleuser” für die Flüchtlingswelle verantwortlich gemacht. Dabei gibt es die nur deshalb, weil die Menschen aus dem Elend wollen, den die NATO-Staaten mit der “Verbreitung von westlichen Werten” verursacht haben.

Es ist bisher seitens der NATO und der EU absolut nichts unternommen worden, um die Kriege in diesen Ländern zu beenden – im Gegenteil, man setzt ausschließlich auf militärische Lösungen, also auf noch mehr Krieg. Dazu gehören auch die NATO-PartnerLänder, Saudi-Arabien, Katar, die terroristische Gruppen unterstützen und von der Bundesregierung mit waffen beliefert werden. Dazu gehört auch die Türkei, die Bombenangriffe auf Syrien und die kurdischen Gebiete durchführt, und trotzdem weiterhin von der Bundesregierung unterstützt wird. Stopp der Rüstungsexporte in diese Länder!

Die deutsche Außenpolitik hat sich an dieser Regime-Change-Politik in Syrien von Anfang an beteiligt, ohne die menschlichen Konsequenzen zu bedenken. Und die deutsche Außenpolitik setzt immer offener auf Krieg, militärische Absicherung von Wirtschaftsinteressen. Ganz offen wirbt zum Beispiel die Bundeswehr mit Flugblättern, an einem Stand eines Kite-Surfing-Weltmeisterschaften an der Nordsee: FLYER „Unser Wohlstand“

Das betrifft übrigens auch die Ukraine. Hunderttausende Ukrainer haben seit dem vom Westen unterstützten Putsch in Kiew ihr Land verlassen, sei es aus Angst vor den immer mehr anschwellenden Konflikten, wegen der Einberufung zur Armee, auf der Flucht vor Bomben und Granaten oder wegen der Zerstörung ihrer Häuser.

Die Bundeswehr beteiligt sich an den größten Militärmanövern seit Ende des Kalten Krieges in Osteuropa, darunter der Ukraine. Landstreitkräfteübung »Rapid Trident« in der Westukraine und an dem Marinemanöver »Sea Breeze« im Schwarzen Meer. Eine reine Provokation für Rußland, die den Ukraine-Krieg verschärft und nicht zu einer politischen Lösung beitragen wird.

Zusätzliche 20 Millionen Euro sollen in diesem Jahr in Manöver fließen. Grund für die Aufstockung der Mittel von 70 auf etwa 90 Millionen Euro seien die Nato-Übungen im östlichen Bündnisgebiet. 154.000 Soldaten nehmen in diesem Jahr für die Bundeswehr an internationalen Truppenübungen teil. Das sind mehr als doppelt so viele wie 2013. Damals waren es etwa 73.000 Soldaten.

Dabei geht es nicht nur ums Training an der Waffe. Vielmehr soll mit den Manövern auch ein Zeichen an Russland gesendet werden: In Polen und den baltischen Staaten nehmen 4400 Bundeswehr-Soldaten an 16 Manövern teil. So soll den an Russland grenzenden Nato-Partner der Rücken gestärkt werden.

Auch der Rüstungsetat, einer der höchsten in der Geschichte der Bundesrepublik, wird nochmal um 8 Milliarden Euro für die kommenden Jahre aufgestockt.

Die Massenflucht beenden heißt nicht, Flüchtlinge und Fluchthelfer bekämpfen, sondern dass Kriege endlich gestoppt werden, dass ernsthaft politische Lösungen gefunden werden. Der Rüstungsetat muss nicht aufgestockt, sondern radikal gestrichen werden, für soziale Entwicklung, für die Unterstützung von Flüchtlingen, für ein bundesweites Wohnungsprogramm für alle.

Übergriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterstützer:

Während wir in Lesbos sind, sehen wir Nachrichten über Flüchtlingsproteste in Deutschland, z.B. in Mannheim fehlt ausreichend Wasser, in Berlin lagern hunderte bei Hitze vor den Einrichtungen, und das in einem der reichsten Länder der Erde! Welch eine Schande! Die Kapazitäten werden bewußt knapp gehalten, das Signal nach wie vor ist: bleibt weg! Wir brauchen endlich eine ausreichende, menschenwürdige Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge, die zeigt: ihr seid willkommen!

Horst Seehofer bereits 2011: “bis zur letzten Patrone” dagegen wehren, dass “wir eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme bekommen”.

Die Riege von Politikern, die einerseits rechte Übergriffe beklagen aber gleichzeitig nicht müde werden täglich zu betonen, es können nicht alle hier Platz finden, wird immer länger, angefangen von der Kanzlerin, Sigmar Gabriel, Innenminister De Maiziere, aber auch der Grüne MP Winfried Kretschmann, der bereits den „sicheren“ Herkunftsländern zugestimmt hat, und auch in Tübingen der grüne OB Boris Palmer.

Gleichzeitig werden auch die Ideen und Vorschläge, wie man Flüchtlinge schneller los wird oder abhalten kann nach Deutschland zu kommen immer kreativer, große Auffangzentren in Griechenland und Italien, schnelle Abschiebung der sog. Westbalkanflüchtlinge, Kürzung des Taschengeldes, Sachleistungen statt Geld, Geld für die Rückkehr. Stattdessen brauchen wir aber mehr Vorschläge und mehr Geld für die menschenwürdige Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen!

Es gibt überall Menschen, die sich engagieren, auch auf Lesbos haben wir griechische Initiativen kennengelernt, die solidarisch sind mit Flüchtlingen. Es gibt sie in jedem Land, auch bei uns, viele, lasst uns zusammenschließen, in Europa, vernetzen und gemeinsam kämpfen für ein menschliches Europa!