Nachrichten aus dem Kreisverband

Haushaltsrede: Ökologisch und Sozial – gegen GmbH-isierung der Stadt

RedeGemeinderatKV TübingenAktiv vor Ort

Liebe Ratskolleginnen, liebe Ratskollegen, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Palmer, sehr geehrte Erste Bürgermeisterin Frau Dr. Arbogast, sehr geehrter Herr Baubürgermeister Soehlke,

Wir brauchen Ökologisch und Sozial. Der Oberbürgermeister trug den guten ökologischen Ruf der Stadt bis zur Klimakonferenz nach Paris. Das ist gut. Aber wir wollen, dass von Tübingen auch der Gedanke der sozialen Gerechtigkeit ausgeht, – über die Stadtgrenzen hinaus – wenigstens bis zur Landkreisgrenze.

Deshalb unsere Forderung, von Tübingen aus ein kreisweites Sozialticket anzustoßen, das mehr bietet als die gesetzlichen Leistungen der KreisBonuscard. Und das wichtigste Anliegen für diesen Haushalt: Mieten und Nebenkosten in Tübingen sind für Niedrig- und Normalverdienende nicht mehr erschwinglich. Das muss sich ändern. Wir brauchen Ökologisch und Sozial.

Der Begründung „vieles in der Stadt sei nicht zu machen wegen den Zusatzaufgaben der Flüchtlinge, widersprechen wir“. In der Tat ist das nicht mit Ehrenamt allein zu leisten, sondern als Entlastung für alle Betroffenen mit einem guten professionellen Stellenausbau. Gerade die Flüchtlinge sorgen in Deutschland dafür, dass ein jahrelanger Investitionsstau in den Wohnungsbau, in Schule und Ausbildung endlich aufgelöst werden kann. Der Binnenmarkt wird angekurbelt und es entsteht Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Der Bundesfinanzminister prophezeit auch für 2016 steigende Steuereinnahmen.

Wir werden den städtischen Haushalt 2016 dann mittragen, wenn dieser sozial ausgewogen ist und wenn die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen als Aufgabe der sozialen Gerechtigkeit für alle angenommen wird. Dafür müssen bei städtischen Beschäftigten ausreichend Stellen aufgestockt werden.

Ich sage auch, was wir nicht mitmachen werden:

Nach der letzten Gemeinderatssitzung kurz vor Weihnachten kam die Vorlage 824/2015 vom 18.12. mit dem Titel Kostensenkungsprogramm; Grundsatzbeschluß. Diese Vorlage ist zwar formal nicht Bestanteil des Haushalts und soll erst im unmittelbaren Anschluss der Haushaltsabstimmung behandelt werden. Aber für die Zukunft der Stadt ist diese Vorlage sehr wohl haushaltsrelevant. Das ist im Grundsatz ein Dauer-Kürzungsbeschluss, eine Art 5-Jahres-Plan sozialer Kürzungen und bedeutet: ab 2017 bis 2021 müssen 5 % in allen Bereichen eingespart werden. So eine pauschale Kürzungspolitik tragen wir nicht mit.

Denn was heißt das? ein generelles Kostensenkungsprogramm zu Zeiten wirtschaftlichen Wachstums und steigender Steuereinnahmen? Das ist eine grüne Notverordnung auf fünf Jahre zu Lasten der Beschäftigten und zu Lasten der Bürgerinnen und der Bürger in der Stadt. Der Gemeinderat gibt sein Haushaltsrecht so auf 5 Jahre an der Garderobe des Oberbürgermeisters ab. Wir können nur vor einem solchen Beschlussvorschlag der Verwaltungsspitze warnen, das ist keine seriöse Politik zu sagen, ab 2017 kürzen wir 5 Jahre lang. Das Problem gehört in die HH-Gespräche.

Wir sagen: man muss für sinnvolle Dinge mehr Geld ausgeben und gleichzeitig Verschwendungspolitik beenden.

Stichwort Verschwendung: Wir fordern seit Jahren die Auflösung der WIT GmbH. Die privatisierte Unternehmensstruktur schafft mehr Probleme als sie löst. Sie kostet viel Geld und bringt uns jetzt zusätzlich Nachzahlungsforderungen des Finanzamts bei der Umsatzsteuer von 300.00 Euro allein bei der WIT.

Seit Jahren hat man EU-Regelungen ignoriert. Die neue Finanzverwaltung im Rathaus scheint mir überfordert und setzt lieber starrköpfig auf Prozesshanselei statt wie in Rottenburg auf Rekommunalisierung und Sachkenntnis.

Die GmbH-isierung der Stadt kommt uns teuer zu stehen. Wir sind für gläsernes Rathaus und Transparenz. Wir wollen keine Geheimräteräte sein und keine Schattenhaushalte in GmbHs verantworten sondern transparent mit den öffentlichen Geldern umgehen können. Die Fraktionen sollten sich nicht mit Aufsichtsratsgeldern dazu verlocken lassen, alles mit zu machen. *)

Im Haushalt sollen nun 1,3 Millionen Euro als Deckungsreserve für drohende Steuernachzahlungen eingestellt werden. ( WIT GmbH 300 000€, Sporthallen GmbH 527.000 €, Sudhaus e.V. 480.000€). Das alles wäre vermeidbar gewesen. Für diese 1,3 Millionen Euro könnten genau die Personalstellen finanziert werden, für die man jetzt angeblich kein Geld in der Kasse hat.

Von dem eingeschlagenen Klageweg wegen der Umsatzsteuern bei der Mensa Uhlandstrasse haben wir schon länger nichts mehr gehört. Wir hatten da nicht zugestimmt, weil es uns zu unausgegoren erschien.

Das Steuerrecht ist eine schwierige Angelegenheit, das wissen wir. Es gibt da kein eierlegendes Wollmilchschwein. Aber statt die Finanzabteilung des Oberbürgermeisters aufzublähen, kann man sich in so speziellen Einzelfällen durchaus eine Fachberatung von außen holen. Das ist immer noch besser als auf Jahre teure Prozesskosten, Beratungskosten tragen wir im Einzelfall mit, auch wenn wir bei Beraterfirmen sonst immer Vorsicht sagen.

Wir sind jetzt im 13. Jahr des Vertrags mit der L-Bank zum Tübinger Technologiepark (TTR) auf der oberen Viehweide – mit immerhin 632.000 € aus dem Verwaltungshaushalt im Jahr 2016. Das ist haushalterisch eine Verschwendung. Dieser Knebelvertrag endet 2018. Wie es dann weiter geht, muss im Gemeinderat frühzeitig Thema werden, nicht nur hinter verschlossenen Türen im Aufsichtsrat der TTR.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Flüchtlinge haben keine Schuld an zu wenig Personal und an zu wenig sozialem Wohnungsbau in der Stadt. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass der seit Jahren geforderte günstigere Wohnungsbau jetzt mit 36 Millionen bei der GWG für 2016 und 2017 angestoßen wird.

Das muss gleichermaßen Flüchtlingen und Einwohnern mit geringem Einkommen zugutekommen. Wir unterstützen den Oberbürgermeister und den Städtetag ausdrücklich, wenn sie sagen, die bisherigen Zusagen von Bund und Land reichen nicht. Wir unterstützen aber nicht, wenn der Oberbürgermeister Panik verbreitet und gleichzeitig eine Schwarzgrüne Null predigt.

Unsere Position lautet seit 2008: wir fordern einen städtebaulichen Vertrag um bei allen Wohnbauprojekten, die über 20 Wohneinheiten umfassen mindestens 30% – eher in Richtung einer 50% Quote Sozialwohnungen gebaut werden mit 25 jähriger Sozialbindung, wie das in Freiburg gegen CDU und Grüne durchgesetzt wurde.

– wir befürworten Baugruppen und genossenschaftliche Projekte insbesondere für junge Familien mit sozialen Komponenten und Mietpreisbegrenzung. Aus Baugruppen dürfen aber keine Spekulationsgruppen werden, deshalb mit Auflagen, dass innerhalb der ersten 5 Jahre bei Verkauf die Stadt ein Rückkaufsrecht hat.

– wir fordern ein Zweckentfremdungsverbot entsprechend dem Prüfauftrag der Grünen.

– wir wollen eine Senkung der Grundsteuer, von 560 Prozentpunkten auf 500. In Reutlingen sind es 400 Prozentpunkte. Unsere Begründung ist, dass die Grundsteuer als Nebenkosten 1 zu 1 weitergegeben werden an die Mieter. Die Grundsteuer trifft Familien mit Kindern überdurchschnittlich. Nach OECD Studien ist die steuerliche Belastung in Deutschland gerade für die Familien mit Kindern zu hoch. Und die Grundsteuer trifft besonders junge Familien und ältere Mitbürger, die ihre Immobilie als Altersvorsorge nutzen und dafür die gesamten Ersparnisse einsetzen.

Wir fordern die Finanzierung eines gebührenfreien Kitajahres im städtischen Haushalt. Da hat die Landesregierung bislang total versagt und Tübingen sollte demonstrativ in Vorfinanzierung gehen. Stichwort: Entlastung der Familien. Das wäre eine Anschubfinanzierung durch die Kommune, später – schon ab April 2016 – kann gesichert eine Übernahme durch das Land stattfinden, wenn man den Parteien glaubt. Nur eine Minderheit aus Grünen und FDP sind dagegen. Die IHK fordert 2 verbindliche Kiga Jahre vor der Einschulung. Spitzenkandidat Wolf, CDU fordert das letzte Jahr verbindlich + gebührenfrei vor der Einschulung. SPD und LINKE treten ebenfalls mit dieser Forderung zur Landtagswahl an.

Am 1. Januar sind erneut die TüBus-Preise gestiegen. Und zwar insbesondere für Schüler. Die zahlen mehr als Studierende und mehr als Berufstätige mit Jobticket. Wenn jetzt der ticketfreie Nahverkehr auf Weiteres verschoben wurde, ist dringend eine Absenkung der Schülertickets auf die Höhe des Semestertickets für Studierende notwendig. Bisher ist der Preis eine Kopfpauschale für die Eltern. Ob superreich oder Niedrigverdienende knapp über Hartz IV: alle Schüler werden voll abgezockt.

Diese Benachteiligung der Schülerinnen und Schüler muss beendet werden, das ist weder ökologisch noch sozial.

Neben der Schülerbeförderung ist der Berufsverkehr wichtiges Thema. Hier kann die Stadt Vorbildfunktion übernehmen. Wir begrüßen deshalb, dass endlich ein Jobticket jetzt auch für die städtischen Beschäftigten im Haushalt steht.

Wir können ausnahmsweise mal die Grünen loben, die unsere Forderung im Zuge der Klimaschutzoffensive aufgegriffen haben und eine Abwrackprämie beantragen für alte Kühlgeräte für Haushalte, die sich diese sinnvolle Anschaffung nicht leisten können.

Wir möchten zudem eine erstmalige Projektfinanzierung von 10 000€ für einen Mobilitätszuschlag für Tübinger Sozialvereine, die öffentliche Beratungsfunktionen haben und oft auch aufsuchende Arbeit leisten. Das ist besser als einen Mobilitätsbeauftragten einzustellen.

Der Zuschlag soll als Zuschuss für Monatskarten des Stadtverkehrs verwendet werden und an die hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen auf Antrag ausgezahlt werden. Er soll nicht mehr als 50% der tatsächlich entstandenen Kosten betragen. Wir möchten im Sinne so einen weiteren Anreiz schaffen, auf den ÖPNV umzusteigen.

Zum Reinigungsbereich: dieser Bereich ist zu 50%, konkret mit 90 Frauen, entsprechend dem städtischen Tariflohn besetzt und die übrigen 50% Quadratmeter an Flächen (Kitas, Schulen, Verwaltungs-Gebäude) werden an externe Firmen vergeben. Da konnte mir keine Anzahl der Reinigungsfrauen genannt werden, weil nach Flächen vergeben wird. Dies möchten wir Zug um Zug wieder zurückdrehen. D.h. jedes Jahr werden z.B. 3-5 Stellen wieder als städt. Angestellte rekommunalisiert. Der Kommunale Arbeitgeber Stadt sollte beispielhaft sein und sichere tarifgebundene Arbeitsplätze bieten. Jetzt sind in diesem inzwischen privatisierten Bereich oft unsichere Frauenarbeitsplätze, oft befristet, Niedriglohn unter 10 €, Zwangsteilzeit, kein Weihnachtsgeld und die zu reinigenden Flächen sind pro Reinigungsfrau i.d.R. auch größer. Das ist und bleibt ein neoliberaler Schandfleck. Frauenarmut wird immer noch befördert durch die Stadt. Das können wir ändern.

Und ich möchte unseren 15 000 € Antrag zur Unterstützung der Tübinger Hebammen erläutern. Fakt ist: die Haftpflichtversicherung für Hebammen wird immer teurer, für viele Hebammen wird sie unbezahlbar. Die Bundespolitik hat es bisher nicht geschafft die Versicherungssituation mit einem HaftungsFonds zu regeln. Ich möchte an die Tü Demo und Kundgebung schon 2014 zu diesen Verschlechterungen erinnern, die mit breiter Unterstützung der Tübinger Bevölkerung lief. Der gesetzlich geregelte Anspruch auf Versorgung durch eine Hebamme und ihre Anwesenheit während der Entbindung muss gesichert werden. Wer schon mal entbunden hat oder inzwischen Oma oder Opa geworden ist, weiß, weshalb diese Berufsgruppe weiter erhalten bleiben muss. Mit all den Erfahrungen und dem Wissen zu Frauenmedizin und Frauengesundheit. Da können wir als Gemeinderätinnen und Gemeinderäte nicht einfach die Augen verschließen. Im Stuttgarter Gemeinderat ist die Not fraktionsübergreifend begriffen worden und die Unterstützung läuft weiter bis auf Bundesebene ein Haftungsfonds eingerichtet wird und wie der Stuttgarter Finanzbürgermeister sagte – „als Zeichen der Wertschätzung“. Auch bei der Tübinger Hebammenschule am UKT werden sinkende Auszubildenden Zahlen registriert. Im Rastatter Krankenhaus muss schon manche Nacht der Kreissaal geschlossen werden, weil keine Hebammen da sind. Deshalb fordern wir: auch hier vorübergehend helfen und ein Zeichen setzen.

Stichwort: Ludwig-Krapf-Schule. Wir sind uns fraktionsübergreifend einig, dass die Schul-Erweiterung Mensa und 2. Zug passieren muss, das wurde schon im Haushalt 2015 vorgezogen mit einer Planungsrate für 2016. Also schreiben wir das auch jetzt wieder in den Haushalt 2016 rein und verschieben es nicht weiter auf die lange Bank.

Ebenso ist nicht verschiebbar die Sanierung Männerwohnheim und die Grundschule Winkelwiese/WHO und die dringendsten älteren Kunstrasenplätze.

Fazit: Wir brauchen einen Haushalt der sozialen Ausgewogenheit und das funktioniert nur, wenn die soziale Sorgearbeit in der Stadt auf gutem Qualitätsniveau stattfindet, die Beschäftigten dort ordentlich bezahlt werden und gute Arbeitsbedingungen haben.

Anmerkung:

*) Der Satz führte auf Antrag des AL-Grüne Fraktionsvorsitzenden Christoph Joachim in der Ratssitzung zu einer „konditionierten“ Rüge von OB Palmer