Nachrichten aus dem Kreisverband
Haushaltsrede 2018 DIE LINKE Rottenburg
Unsere Haushaltsrede steht unter dem Motto „Rottenburg zukunftsfähig machen“. Die große Beteiligung der Bevölkerung am Bürgerentscheid über das Gewerbegebiet Galgenfeld hat gezeigt: Die Bürgerinnen und Bürger wollen sich an einer nachhaltigen Entwicklung unserer Stadt beteiligen und mit ihren Ideen und Vorschlägen ernst genommen werden. Diese Entwicklung muss neu gedacht werden, sozial und ökologisch. Denn tagtäglich zeigt sich: Nicht nur bei uns sind die Ressourcen begrenzt. Deshalb findet der Ausgang des Bürgerentscheids auch überregional großes Echo. Dies wurde neulich auf dem landesweiten Vernetzungstreffen vieler Bürgerinitiativen in Stuttgart deutlich. Immer mehr Menschen fragen sich, ob mehr Gewerbesteuer wirklich das Maß aller Dinge ist. Entwicklung lässt sich nicht einseitig auf Gewerbe reduzieren, sondern umfasst die Gesamtheit unserer Bedürfnisse, unserer Daseinsvorsorge und der Bildung und Ausbildung der nachwachsenden Generation. Folgerichtig umfasst das Bruttosozialprodukt alle Tätigkeiten in der Gesellschaft, von der Land-Wirtschaft über die Industrie bis zu den Dienstleistungen. Deshalb brauchen wir ein neues, umfassendes Gutachten über die Entwicklung unserer Stadt, das die sehr beschränkte Sichtweise und Fehler des alten Gewerbe“gutachtens“ vom Frühjahr 2018 hinter sich lässt. Eine neue belastbare Untersuchung soll die Stärken Rottenburgs herausarbeiten und uns Chancen für die Zukunft aufzeigen.
Aus unserer Sicht gehört dazu vor allem, dass wir die Kinderbetreuung endlich wie in vielen Städten unseres Ländles ausbauen und gebührenfrei machen, mehr PIA-Stellen schaffen und Erzieherinnen leistungsgerecht bezahlen. Gebührenfreie Bildung ist ein Grundrecht, von Geburt an. Vielleicht folgt Rottenburgs SPD hierin ihrem neuen Landesvorsitzenden Stoch oder dem Hessischen CDU-Ministerpräsidenten Bouffier, der sich zurecht dagegen wehrte, Ausbau, Qualität und Gebührenfreiheit in der Kinderbetreuung gegeneinander auszuspielen. Mit dem neuen Gute-Kita-Gesetz ist der Dreiklang möglich und die Zeit für Ausreden und Verschleppung endgültig vorbei!
Zur Entwicklung Rottenburgs gehört, dass wir überbetriebliche Ausbildungsbetriebe stärken und finanziell fördern, um Jugendlichen und Geflüchteten eine Perspektive zu geben und Handwerkern zu helfen. Weiter gehört dazu, mit unserer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft den Wohnungsbau wesentlich stärker zu fördern, um 500 Menschen mit Wohnberechtigungsscheinen, um Senioren in der Kernstadt, um Familien mit Kindern preiswerten Wohnraum anzubieten. Statt hilflos über hohe Pendlerzahlen zu schwadronieren, sollten wir den ÖPNV mit höheren Taktzeiten, verbesserten Angeboten am Wochenende und in der Nacht zügig ausbauen und für seine Anbindung an das regionale Verkehrsnetz der Bahn sorgen. Wer es ernst meint mit einer nachhaltigen Mobilität und Umweltschutz, muss in die Gebührenfreiheit des ÖPNV vor allem für Pendler investieren anstatt in noch mehr Individualverkehr, der die Straßen verstopft und Flächen frisst. Dazu gehört auch ein umfassendes Radfahrnetz als Angebot an alle. Dies ist der Lackmustest für lokalen Umweltschutz.
Und selbstverständlich gehört zur gesunden Entwicklung unserer Stadt ihre Stärkung als Bildungszentrum mit der Sanierung der Hohenberg-Werkrealschule, einer zeitnahen Planung für den Schulcampus Kreuzerfeld, die mit dem sofortigen Bau einer neuen Sporthalle für Vereine, für das Jugendzentrum Klause und für die Schüler aus den Teilorten beginnen muss. Am EBG muss endlich die Barrierefreiheit im Altbau endlich hergestellt werden. Die allseitige Entwicklung unserer Kinder ist auch Grundlage für eine wirtschaftliche Entwicklung in unserer Stadt und darüber hinaus.
Bei allen jahrelang verschleppten Investitionen darf es kein Abwälzen mehr auf die nachfolgenden Generationen geben. Wenn der Oberbürgermeister betont, dass man nur das verteilen kann, was da ist, ist das entweder eine Banalität oder ein gefährliches Verschweigen von Tatsachen. Für uns ist die Mutter aller Probleme nicht die Zuwanderung - die Mutter all unserer Finanzprobleme auf kommunaler Ebene ist der jahrelange und fortdauernde Finanzraub von über 30 Milliarden mithilfe von Cum-Cum-Praktiken und Phantom-Aktien. Hier werden öffentliche Gelder den notwendigen Investitionen in Infrastruktur und Bildungseinrichtungen entzogen. Hinzu kommen Millionen für obscure Berater-Gespräche bei der Bundeswehr, während die Bundesregierung nur lächerliche fünf Milliarden für den Ausbau von Glasfasernetzen bereitstellt. 90 Milliarden Euro wären für diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe im Bund notwendig, zehn Milliarden auf Landesebene. Ohne ein schnelles Glasfasernetz bleiben Industrie 4.0 oder Digitalisierung eine Fata Morgana. Hier herrscht ein massives Marktversagen und Politikversagen. Das verdecken Bundes- und Landesregierung, indem sie die Kommunen als willfährige Reservekassen für ihre völlig verfehlte Haushaltspolitik behandeln und unfähig sind, die Internetkonzerne zu einem flächendeckenden Ausbau zu zwingen. Gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land dürfen keine Leerformel sein, die an den Gewinnmargen der Konzerne enden. Wir warnen eindringlich vor städtischen Digital-Investitionen im Vorgriff, solange der flächendeckende Ausbau finanziell von Bund und Land nicht geklärt ist. Wir müssen unsere Stadt schützen, damit es nicht zu kostspieligen Parallelstrukturen von öffentlich und privat kommt.
Nachhaltigkeit bedeutet für uns auch, dass wir bei der Gewerbeansiedlung strikt darauf achten werden, dass Betriebe nicht nur mehr Beschäftigte einstellen, sondern sie auch anständig bezahlen. Denn aktuell haben wir in Rottenburg 30 Prozent Geringverdiener, die kaum zu den Steuereinnahmen unserer Stadt betragen können. Um unsere Einnahmen zu verbessern, treten wir für die Anhebung des Gewerbesteuerhebesatzes auf den Landesdurchschnitt von 369 Prozent ein. Sonst tragen wir zur schädlichen Konkurrenz zwischen den Kommunen bei und schaden der Volkswirtschaft. 57 Kommunen haben ihren Hebesatz in diesem Jahr angehoben. Wir wollen mit mehr Gewerbesteuern Erzieherinnen besser bezahlen, brauchen keinen ökologisch schädlichen Kunstrasen, sondern können endlich die notwendigen Schulen und Sporthallen bauen und den Bau von preiswerten Wohnungen vorantreiben. 117 Millionen Euro in der mittelfristigen Finanzplanung zeigen, wie notwendig dieses Geld neben höheren Landesgeldern wäre. Von einer solchen Neuorientierung im aktuellen Haushalt für eine nachhaltige und soziale Entwicklung unserer Stadt werden wir unsere Zustimmung oder Ablehnung abhängig machen. Wir danken allen Mitarbeitern in der Verwaltung für ihre enorme Leistung und stehen an ihrer Seite!