Nachrichten aus dem Kreisverband

Gegen die Illegalisierung der Seenotrettung

Redebeitrag von Nina Rupprecht für das Bündnis Bleiberecht auf der Kundgebung "Keine Festung Europa" am 14. Juli 2018

Gestern erst haben wir in Reutlingen gemeinsam mit weiteren engagierten Menschen und direkt betroffenen Organisationen gegen die Illegalisierung der Seenotrettung demonstriert und heute stehen wir wieder auf der Straße, hier in Tübingen um  die Rechte aller in Deutschland lebender Menschen einzufordern.

Es wurde gerade  eindrücklich auf die schrecklichen, inhumanen Zustände in Libyen, Algerien und dem Mittelmeer berichtet.

Auch hier in Europa sterben Geflüchtete an den Zustände, deren Opfer sie werden, insbesondere an den innereuropäischen Grenzen. Doch es organisiert und vollzieht sich Widerstand. Gerade erst von einem Protestmarsch von italienischen Ventimiglia, über Calais nach Großbritanien zurückgekehrt, demonstrieren auch heute wieder Menschen in Ventimiglia aus Protest gegen die Zustände und in Gedenken an die bei der Grenzüberquerung nach Frankreich gestorbenen Geflüchteten.

Gleichzeitig setzt sich die Politik der gesellschaftlichen Abschottung, der Isolation Hilfsbedürftiger, der Aberkennung elementarer Menschenrechte  hier in Deutschland fort. Unzählige Menschen leben in diesem Land in permanenter Gefahr und Angst in Bürgerkriegsländer oder lebensbedrohliches Elend abgeschoben zu werden. Ein Umstand, der verantwortliche Politiker, allen voran den Bundesinnenminister auch noch freut! Auch die Landesregierung Baden-Württembergs unter Ihnen Herr Ministerpräsident Kretschmann und die Grünen sind Teil dieser Entrechtung. Keine Asylrechtsverschärfungder letzten Jahre, wäre ohne eine Zustimmung Baden-Württembergs im Bundesrat machbar gewesen!

Während viele Zustände bei der Unterbringung Geflüchteter und dem Umgang von Behörden mit ihnen untragbar sind, werden Ihnen Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und ein Einstehen für ihre Rechte und ein Kampf für ein besseres Leben aberkannt. Als Geflüchtete in einem isolierten Lager außerhalb Ellwangens friedlich aber bestimmt gegen die Abschiebung eines Geflüchteten protestierten, war die mediale und politische Entrüstung maximal. Von Gewalt und Kriminalität von Mob und rechtsfreien Räumen war die Rede. Recherchiert oder sich vor Ort bei den Betroffenen informiert hatte sich dabei fast kein berichtendes Medium. Die Geflüchteten selbst mussten sich Öffentlichkeit schaffen, Pressestatements und -konferenzen organisieren. Als einige wenige Medien (namentlich das neue deutschland und die taz) dann recherchierten und die Version der Polizei und der dpa auf dieser Basis überprüften stellte sich heraus, es gab keine Gewalt, es gab keine Waffen, es gab keine verletzten Polizist_innen und es gab keine Sachbeschädigung.

Menschen die aus dieser Notlage heraus Protest gegen die Zustände und die Berichterstattung organisierten wurden dafür bestraft, dass sie die deutsche Mehrheitsgesellschaft daran erinnerten, dass Menschenrechte eine universellen und keinen nationalen Anspruch haben, denn am 20. Juni, dem Weltgeflüchtetentag wurde Hassan Alassa, einer der Sprecher und Organisatoren der Ellwanger Geflüchteten abgeschoben.

Auch hier, im Kreis Tübingen, werden Geflüchteten grundlegende Rechte aberkannt. Zum 20. Juni hatte das Bündnis Bleiberecht eine Banneraktion gegen Abschiebungen generell und spezifisch nach Afghanistan organisiert. Ein Banner, welches Geflüchtete  an ihrer Unterk Mössingen anbrachten, wurde vom Landratsamt entfernt. Dabei stellte sich  heraus, dass der Landkreis Tübingen eine Wohnheimordnung erlassen hat, welche Geflüchteten buchstäblich jegliche(!) politische Tätigkeit verbietet. Ein solches pauschales Verbot bedeutet eine Aberkennung grundlegender Rechte, wie sie im Grundgesetz, in der europäischen Menschrechtskonvention, sowie in Paragraphen des Aufenthaltsgesetzes verbürgt sind. Wir fordern, dass der entsprechende Passus sofort aus Wohnheimordnung des Landkreises Tübingen gestrichen wird!

Während baden-württembergische, deutsche und europäische Regierungen zunehmend Menschenrechte und internationale Verträge außer Kraft setzen, sind sie gleichzeitig nicht gewillt gegen die Ursachen für globale Fluchtbewegungen und materielles Elend etwas zu tun. An mindestens 14 Auslandseinsätzen ist die Bundeswehr gegenwärtig beteiligt. Deutsche Waffen werden in die ganze Welt verkauft. Trotz andersweitiger Beteuerung auch in Konfliktländer und direkt an Kriegen beteiligte Konfliktparteien wie Saudi-Arabien. Die deutsche und europäische Handel- und Wirtschaftspolitik folgt auch weiterhin dem Credo der rücksichtlosen Profitmaximierung, bei welcher nicht nur Mensch und Natur außerhalb Europas ausgebeutet werden, sondern  die Profite landen auch in den Taschen einer kleinen Elite , während alle anderen gemeinsam für die Folgen dieser rücksichtlosen, Lebensgrundlagen vernichtenden und Armut schaffenden Wirtschaftspolitik aufkommen müssen. Weil die politischen und wirtschaftlichen Eliten in Europa daran nichts ändern wollen, Illegalisieren sie Menschen, beschneiden Grundrechte, setzen internationale Abkommen außer Kraft, verfolgen den Protest dagegen und erklären dieses Vorgehen dann zum neuen Recht und Gesetz.

Es gilt auch heute wieder die Maxime: 

"Wenn Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zu Pflicht, Gehorsam aber wird Verbrechen"

Weitere Infos zum Bündnis Bleiberecht Tübingen:

bleiberecht.mtmedia.org