Nachrichten aus dem Kreisverband

Gegen Bewerbung Innovationspark KI

Gerlinde Strasdeit, Fraktionsvorsitzende
KV TübingenPosition

Redemanuskript Gemeinderatssitzung am 28.1.2021

Vorlage 39a/2021 Beitritt zur Genossenschaft, Eingang der Vorlage 28.1. 10:07 Uhr per Email

Erstmal vorab zum Beitritt zur Genossenschaft und der 28-seitigen Satzung, die uns erst heute Vormittag zuging. Ich fand es einen unzulässigen Zeitdruck, deshalb gleich heute früh meine Email an die Stadtspitze!
Normalerweise wäre es unser Recht diese Vorlage zum Beitritt einer Dachgenossenschaft in den Ausschuss zu verweisen, da die Vorlage nicht vordiskutiert wurde.

Wir verzichten aber auf den förmlichen Antrag um eine mögliche Mehrheit für den Beitritt und der Satzung nicht zu blockieren. Obwohl sie vermutlich niemand richtig gelesen hat – oh Entschuldigung außer Frau Höhne-Mack, Herr Schöning, Herr Gumrich;

Ich bitte ausdrücklich darum diese Feststellung unserer Fraktion im Protokoll für die Nachwelt festzuhalten! Zum Konstrukt Genossenschaften: Genossenschaften, die nur kommerzielle Sachen machen sind nicht qua Unternehmensform besser.

Zur Vorlage 39/2021 Bewerbung Innovationspark KI

Wir können der Beteiligung der Stadt Tübingen an dieser Bewerbung für den sogenannten  Innovationspark Künstliche Intelligenz nicht zustimmen.

Wir sind nicht gegen Künstliche Intelligenz und wir sind nichtgrundsätzlich gegen öffentliche Investitionen und wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich.

Aber wir sind gegen die zentrale Zielsetzung der Landesregierung und die heißt laut Wirtschaftsministerium Referat 31, Zitat:

„einen substantiellen Beitrag zu leisten zur Kommerzialisierung von Künstlicher Intelligenz aus Baden-Württemberg.“.

Das ist der Kern der Ausschreibung: Nicht KI in öffentlichem Interesse sondern Kommerzialisierung.  Kommerzialisierung heißt Vermarktung von Produkten zugunsten privater Gewinne von Unternehmen, von Konzernen, von sogenannten Startups, die, wenn sie erfolgreich sind, von Konzernen – je nach dem – geschluckt oder börsentauglich gemacht werden. Jetzt sollen 50 Millionen Euro öffentliche Gelder ausgegeben und von Kommunen eingeworben werden um private Unternehmen in diesem Bereich zu fördern und Konzerne anzulocken. Die Kommunen einer Region sollen sich dabei gemeinsam wirtschaftskonform machen und sich zu diesem Zweck in einer sogenannten Dachgenossenschaft zusammenschließen.

Meine Fraktionskollegin Evelyn Ellwart sagte dazu in der gemeinsamen Sondersitzung mit den Reutlinger Gemeinderät:innen

Es herrscht Goldgräberstimmung im Feld Künstliche Intelligenz

Wir nehmen dafür den Bürgerinnen und Bürgern 5 Millionen weg und geben es um die Ecke an Multimilliardäre weiter. Beispiel: am Ende macht jetzt ein Pharmakonzern wie Bayer Geschäfte mit dem Impfstoff, der mit kommunalen Mitteln bei der Ausgründung eines kleinen Startups auf den Weg gebracht wurde. So enden sie also die kleinen Startups. Arm in Arm mit den großen Konzernen.   

In diesem Zusammenhang eine kleine Nebenbemerkung:
Es ist sehr gut, dass die Firma Curevac im Gegensatz zu anderen Impfstoffherstellern ihre Verträge mit der EU offenlegen. Aber es ist auch richtig: Curevac ist inzwischen eng mit Bayer verbandelt. Und Bayer hat laut einem TAZ-Artikel den Trump-nahen faschistischen Mob unterstützt, der das Capitol in Washington gestürmt hat.

Ich möchte an dieser Stelle nochmal klar den Vorwurf von Ihnen Herr Oberbürgermeister zurückweisen, dieser Überfall sei vergleichbar mit dem gewaltfreien Protest, den es im Rahmen einer öffentlich zugänglichen Gemeinderatssitzung zum Thema Amazon-Ansiedlung gegeben hat. Dieser Vergleich ist maßlos und falsch.   

Tübingen hat Amazon den Teppich ausgerollt.

Tübingen hat in den Technologiepark im Laufe der letzten 20 Jahre 15 Millionen aus dem städtischen Haushalt finanziert. 

Wir wollen eine andere Art von Wirtschaftsförderung:

die 5 Millionen nehmen um die Stadt in der Pandemie nicht untergehen zu lassen. Um den bedrohten Einzelhandel zu retten. Um die Gastronomie zu retten. Um die Kultur zu retten und die Frisöre dürfen wir nicht vergessen. Um unser Miteinander zu retten. Um unsere Stadt lebenswert zu erhalten.

Und da, wo es Fördergelder gibt, müssen diese an soziale und ökologische Bedingungen geknüpft werden, an tarifgerechte Löhne und an zivile Nutzung. Nichts davon in der Vorlage.

Nur auf Seite 7 der Vorlage stehen einige Zeilen zu Klimarelevanz, aber halt als unverbindliche und rein kosmetische Bemerkung, damit es etwas besser aussieht.

Als Kommunalpolitikerinnen sind wir bei Fördergeldern dem Gemeinwohl verpflichtet. Es ist das Geld und es ist der Grund und Boden der Bürgerinnen und Bürger unserer Städte, um das es geht.  

Wir fragen deshalb:
warum wird das jetzt vorgesehene Grundstück B12 im Technologiepark einfach verschenkt und nicht wenigstens in Erbpacht vergeben.  

Schon viel zu viel Spekulation mit unserem Grund haben wir hier in Tübingen erlebt und erleben wir noch.

Ich erinnere an die Nachricht vom März 2020 des Projektentwicklers Fa. Reisch:
Reisch baut auf das Grundstück ein Gebäude, schließt einen Mietvertrag mit Curevac und verkauft das Ganze an eine Schweizer „family office“, dies verkauft nach weniger als einem Jahr das Paket weiter an WM Capital Holding. Bei den bisherigen Diskussionen zum Erbbaurecht kommt aus der Stadtspitze: „man kann den armen Gewerbetreibenden doch kein Erbbaurecht zumuten“. Mit Erbbaurecht hätten sich weder Reisch noch die vermögende Schweizer Familie die Nase weiter spekulativ vergolden können. Und die Stadt bekommt dann nicht einmal Grunderwerbsteuer, da das Paket so geschnürt wird, dass 89,8% an der Besitzgesellschaft der Immobilie übernommen wird und dann keine Grunderwerbsteuer für die Stadt rausspringt. Diesmal wird das Grundstück B12, neben Amazon mit bestem Blick auf die Schwäbische Alb, verschenkt.

Wir fragen weiter:
Warum knüpfen wir eine Bewerbung nicht an die ausschließlich zivile Nutzung der Künstlichen Intelligenz 

Mit einer Zivilklausel wollen wir ausschließen, dass öffentliche Mittel als KI getarnt in Militärforschung fließen. Dafür werden wir heute noch ausgelacht. Das sei geschäftsschädigend. Warum keine Tarifbindung und warum keine Gemeinwohlbilanzen? Wie sie grüne und SPD-Politiker:innen immer wieder in Sonntagsreden fordern.

Darüber bräuchte es eine öffentliche Debatte ohne diesen unzumutbaren Zeitdruck, den die Landesregierung uns über die Jahreswende verordnet hat. 

Stichwort Ethikbeirat: Anders als in der Vorlage steht, ist der Ethikbeirat, den es im Cyber Valley in Tübingen gibt, ein stumpfes Instrument und eben nicht an allen Entscheidungen beteiligt und nicht der Transparenz verpflichtet. Wir fordern eine echte Bürgerbeteiligung.

Und es kommt noch etwas dazu:

Stichwort Konkurrent Heilbronn:
Es ist doch nicht Aufgabe der Regionen und Kommunen gegeneinander zu konkurrieren und sich gegenseitig aus dem Rennen um die Gunst der Landesregierung zu kicken. Und es ist nicht Aufgabe der Landesregierung, ihre grünen und schwarzen Hahnenkämpfe auf dem Rücken von Kommunen und Regionen auszutragen. Es ist skandalös, wie hier ohne menschliche Intelligenz aber mit viel künstlichem Zeitdruck Konkurrenz aufgebaut an statt ein Miteinander organisiert wird.

Heilbronn gegen das Dreieck TÜ-RT, Stuttgart, Karlsruhe. Und wenn Karlsruhe mit im Verbund ist, gibt es Untersuchungen, dass das Fraunhofer IOSB Militärforschung im Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums macht.

Die Landesregierung ist laut Grundgesetz verpflichtet, alle Regionen im Land gleichermaßen zu fördern und zu entwickeln.     

Unsere Intelligenz sollte darauf ausgerichtet werden, ökonomische Alternativen zu entwickeln, die Soziale Spaltung verhindern und den Klimawandel stoppen. Denn das sind die wirklich dringenden Aufgaben!

Aus all diesen Gründen lehnt die Tübinger LINKE die Tübinger Bewerbung um Teilnahme an dem Wettbewerb um den KI Innovationspark ab.