Nachrichten aus dem Kreisverband

Frage an Gabriel zu Tornado-Einsatz in Syrien

Auf Nachfrage von Heike Hänsel leugnet Außenminister Gabriel eine deutsche Mitverantwortung für die Bombardierung von mindestens 33 Zivilisten in Syrien, obwohl laut Medienberichten im Verteidigungsausschuss über die Bereitstellung der Aufklärungsbilder durch deutsche Tornados berichtet wurde. DIE LINKE fordert: Tornados sofort abziehen!

Video:

www.youtube.com/watch

Protokoll:

Heike Hänsel (DIE LINKE):

Danke schön. – Herr Minister Gabriel, ich möchte Sie aus aktuellem Anlass fragen. Sie haben gerade gesagt, Europa stellt in der Sicherheitspolitik das genaue Gegenteil zu den USA dar. Aber Kriegseinsätze ähneln sich doch und bedeuten viel Leid und Tote vor Ort. Uns liegen aktuell Meldungen vor, dass der Tornadoeinsatz der Bundeswehr mit dazu beigetragen hat, dass über 33 Zivilisten in einer ehemaligen Schule in Syrien getötet wurden.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das ist eine ungeheuerliche Behauptung! Die Tornados haben überhaupt nicht dazu beigetragen!) – Die Meldungen sind da, und ich hätte gern den Minister gefragt, was er zu diesen Meldungen sagt (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Dann müssen Sie einmal die Meldungen richtig lesen!)

und ob die Bundesregierung gegebenenfalls erwägt, diesen Tornadoeinsatz zu stoppen bzw. zu beenden und zu untersuchen, was passiert ist?

Sigmar Gabriel, Bundesminister des Auswärtigen:

Wenn Sie gestatten, würde ich gerne auf beides antworten, sowohl auf Ihren Hinweis, dass militärische Einsätze immer auch schlimme Folgen haben, als auch auf den konkreten Fall. Gerade wir Deutsche selbst haben doch erfahren – das sage ich nicht mit übertriebenem Pathos –, dass wir am Ende Gewalt und Terror in unserem Volk – zum Beispiel damals durch die Nationalsozialisten – nicht stoppen konnten, ohne dass uns andere mit Militäreinsatz zu Hilfe gekommen sind. Auschwitz hat sich nicht selbst befreit, sondern es war die Rote Armee, die Auschwitz befreit hat. Hätten amerikanische Eltern ihre Söhne und manchmal auch ihre Töchter nicht in den Zweiten Weltkrieg geschickt, würden wir heute unter Hitler oder unter Stalin leben.

Das zeigt: In der Ultima Ratio können Sie manchmal das Leben von Menschen nur schützen, wenn Sie militärische Mittel einsetzen. Wenn die Weltgemeinschaft nicht so lange zugesehen hätte, hätten vielleicht nicht Millionen Menschen in Ruanda im Völkermord untergehen müssen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Auch ich wünsche mir eine Welt, in der man so etwas nicht braucht. Aber Sie sollten wissen: Man kann sich schuldig machen durch den Einsatz militärischer Mittel, man kann sich auch schuldig machen durch die Verweigerung militärischer Mittel.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Durch Nichtstun!)

Man muss sich immer darüber im Klaren sein, was man macht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zu Ihrem konkreten Fall. Nach meinem Kenntnisstand ist der Tornadoeinsatz nicht verantwortlich dafür, was dort passiert ist. Es gab auch eine Unterrichtung im Verteidigungsausschuss dazu. Insofern kann ich jetzt nur wiedergeben, dass nach meinem Kenntnisstand, nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung, der Zusammenhang, den Sie beschrieben haben, nicht existiert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ich möchte eigentlich die Mali-Mission begründen, weil diese gerade dazu dienen soll, das Voranschreiten von Terrorismus und Mord zu begrenzen. Aber da Sie, wie ich sehe, anderer Meinung sind, will ich es noch ein wenig zuspitzen: Was, glauben Sie, würde passieren, wenn Europa oder die internationale Völkergemeinschaft im Fall von Mali sagt: „Wir ziehen uns zurück“? Diese Position kann man einnehmen. Dann muss man aber bereit sein, zu sagen: Ja, ich bin dann auch bereit, die Verantwortung dafür zu tragen, dass Boko Haram wieder nach vorne geht, dass sich die Tuareg nicht in einen zivilen Friedensprozess begeben und dass mehr Menschen weiter unter Terror, Gewalt, Mord und Vergewaltigung leiden. – Man muss sich einfach über die Konsequenzen seines Handelns in beiden Fällen im Klaren sein. Man muss auch wissen: Wenn man militärische Einsätze begleitet, kann das immer dazu führen, dass Unschuldige sterben.

Wir haben übrigens die Waffen an die Peschmerga im Wissen geliefert, dass die Waffen in einem späteren innerirakischen Konflikt vielleicht für falsche Ziele eingesetzt werden. Darum wissend hat uns der viel zu früh verstorbene Pazifist Rupert Neudeck geraten – wohlgemerkt: als Pazifist –: Ihr müsst Waffen an die Peschmerga liefern, weil sonst die Volksgruppe der Jesiden ausgerottet wird.

Ich will nur sagen: Es geht hier, wie ich finde, um eine der schwersten Entscheidungen, die man als demokratischer Politiker treffen kann, aber man muss sich immer im Klaren darüber sein, dass Verantwortung nicht nur dadurch entsteht, wenn man eine Entscheidung trifft, sondern auch, wenn man eine Entscheidung verweigert.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)