Nachrichten aus dem Kreisverband

Eine Brücke ins Nirgendwo?

Der Kreistag hat ohne die Stimmen der Tübinger Linken ein Projekt zur "freiwilligen Rückkehrberatung" beschlossen. Im Kontext der Bundestagswahl herrscht offensichtlich Handlungsbedarf zur Minimierung der "Balkanflüchtlinge", und es werden Zeichen in Richtung der (rechts-)konservativen Kreise gesendet. Ob die Rechnung aufgeht, das Wählerpotenzial der AfD so in den Griff zu bekommen, bleibt offen. Die Tübinger Linke steht für faire Asylverfahren und eine humane Asylpolitik. Die Bundestagsfraktion hat deswegen gegen die Gesetze zur Deklaration sicherer Herkunftsstaaten gestimmt. Asylanträge aus diesen Staaten werden aktuell im Schnellverfahren abgelehnt, weil sie pauschal als unbegründet gelten.

Die "freiwillige Rückkehrberatung" ist eine Abschiebung "light". Denn ohne das Druckpotenzial von Abschiebung bei Nacht und Nebel gibt es auch keine "Freiwilligkeit". Fragt sich, welche Wahl die Betroffenen tatsächlich haben. Die Verhältnisse in den Herkunftsländern lassen eine "freiwillige" Rückkehr oft nicht zu. Studien zu bisherigen Projekten belegen, dass die Überbrückungshilfen zu gering sind, um Reintegration in den Herkunftsländern nachhaltig zu ermöglichen - trotz allen guten Willens der Verbände und der Beratungsstellen.

Sie dienen dem Überleben in den ersten Wochen, die Existenz in durch Perspektiv- und Arbeitslosigkeit geprägten Ländern ist damit nicht zu sichern. Pro Asyl hat zu Recht von einer "Bagatellisierung" der Menschenrechtslage in den Westbalkanstaaten gesprochen. Es geht nicht einfach um Armut und "Wirtschaftsflüchtlinge", sondern um Verletzungen der sozialen Menschenrechte.

Sinti und Roma erleiden in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien alltägliche Diskriminierung. Sie leben oft ohne Personaldokumente, ohne Zugang zu medizinischer Versorgung und zu Sozialleistungen. Roma-Siedlungen haben in der Regel keine Wasserversorgung, sind nicht an das Abwassersystem angeschlossen, häufig gibt es auch keinen Strom, die Kindersterblichkeit ist vielfach höher als im Durchschnitt. Über eine halbe Million Sinti und Roma sind während des Faschismus in ganz Europa umgekommen. Das Gesetz über die sicheren Herkunftsländer ignoriert diesen Teil der Geschichte. Heutiger Antiziganismus ist das Ergebnis der Asylmissbrauchsdebatten, die wir in dieser Gesellschaft führen. Seien Sie mit dieser Gruppe solidarisch, denn sie hat es historisch verdient.