Nachrichten aus dem Kreisverband

Cyber Valley: Keine Subventionierung der Konzerne! Kein Ausverkauf der Stadt!

Gerlinde Strasdeit

Redebeitrag Gerlinde Strasdeit, 10.10.2019, Marktplatz - Demo Cyber Valley

Guten Tag, liebe Leute, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

Unsere Stadt gehört allen Menschen, allen, die hier leben und arbeiten und hier lernen und wohnen.

Die Kommune ist ein Gemeinwesen. Tübingen soll nicht den Spekulanten der Vonovia gehören, nicht den Handelsketten wie Metro oder H&M, die ihre Beschäftigte mittels Tarifflucht und prekären Arbeitsverträgen in den Ruin treiben. Die Stadt gehört auch nicht Amazon und Co, die mit Steuerfluchtmodellen und Niedriglöhnen den Weltmarkt erobern und sie gehört nicht den Investoren im Cyber Valley, die mit reichlich öffentlichen Fördergeldern der Landesregierung auf eine schnelle Rendite setzen.

Unsere Ratsfraktion ist nicht gegen Ansiedlung von Gewerbe, wir sind erst recht nicht gegen Forschung und Wissenschaft, aber wir wollen keinen Ausverkauf der Stadt. Wir sind gegen die Kommerzialisierung in der Wissenschaft und gegen die Privatisierung der Forschung. Unsere Ratsfraktion will, dass künstliche Intelligenz den Menschen dient und nicht den Menschen überwacht und manipuliert, bis hin zur Vernichtung. Als gewählter Rat dieser Stadt haben wir eine Verantwortung dafür, wem wir den Zuschlag für unsere öffentlichen Flächen geben und was dort anschließend passiert. Deshalb fordern wir eine verbindliche (!) Zivilklausel für Amazon und nicht einen unverbindlichen Larifari-Codex einer sogenannten Ethik-Kommission , an den sich niemand halten muss. Wir wollen Forschung zu Kriegs- und Rüstungszwecken definitiv ausschließen und wir wollen, dass alle Forschungsergebnisse für die Allgemeinheit zugänglich sind. Das Gelände auf WHO und Horemer ist das beste, was Tübingen an Flächen zu bieten hat – mit Höhenblick zur Schwäbischen Alb. Das ist nicht Cyber Valley sondern Cyber Hill. Deshalb braucht es, wenn Flächen vergeben werden, -eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung – nachhaltig heißt: kein Ausverkauf öffentlichen Bodens sondern Bodenvergabe nur in Erbpacht, damit die Stadt auch übermorgen noch über eigene Flächen verfügt.

Erbpacht heisst: Grund und Boden bleiben in öffentlichem Eigentum und wer darauf baut und wirtschaftet, zahlt einen entsprechenden Erbpachtzins.

Und es ist keine Schande, im Gemeinderat nach den Arbeits- und Tarifbedingungen für die zukünftig Beschäftigten zu fragen. Passend zum Cyber-Zuschussprojekt kündigte Wirtschaftsministerin Frau Hoffmeister-Kraut eine Bundesratsinitiative der Grün-schwarzen Landesregierung an, das Arbeitszeitgesetz zu ändern, den 12 Stundentag und die 54 Stunden-Woche einzuführen. 100 Jahre nach Einführung des 8-Stundentages in Deutschland bedeutet diese Art Flexibilisierung ein modernes Zurück in den finsteren Frühkapitalismus. Das heisst: Die Berge unbezahlter Überstunden und Arbeit auf Abruf, die es schon heute gibt, sollen verrechtlicht werden.

Am 31. Oktober läuft die Optionsvergabe der Baufläche 13 an Amazon aus.

Der Termin 17. Oktober kann nicht eingehalten werden und der Vorgang kommt erst am 7. November in den zuständigen Planungsausschuss und am 14. November in den Gemeinderat. Die Anmietung von Amazon soll für eine Mindestmietdauer von 10 Jahren erfolgen, so war es bisher geschrieben, die eigens dafür gegründete Projektgesellschaft kauft das Gelände und baut, so die bisherigen Aussagen.

Wer da überhaupt die Grunderwerbssteuer, und anschließend die Grundsteuer zahlt, wissen wir nicht. In welcher Rechtsform wird Amazon betrieben? Wird überhaupt Gewerbesteuer bezahlt oder wird das umgangen? Das alles bleibt unklar.

Deshalb werden wir einen Antrag im Gemeinderat einbringen, der statt den für Amazon vorgesehenen Flächen bezahlbaren Wohnungsbau vorsieht, Wohnbebauung mit einem Sozialwohnungsanteil von mindestens 50%.

Die Wohnungspreise in Tübingen werden durch Cyber Hill weiter in die Höhe getrieben. Im neuen städtischen Sozialbericht wird darauf verwiesen, dass inzwischen 40% der Tübinger Bevölkerung einen Rechtsanspruch auf einen Wohnberechtigungsschein hat.

40% - das muss man sich mal vorstellen. Da sind nicht nur die Leute mit niedrigem Einkommen betroffen, das geht bis weit in die Mittelschicht.

Heute steht auf der Tagesordnung im Gemeinderat ab 17 Uhr noch nicht Amazon sondern die Optionsvergabe von drei Bauflächen auf dem Horemer an die Robert Bosch GmbH und die Robert Bosch Wohnungsbaugesellschaft.

Auch dieser Optionsvergabe stimmt die Linke Gemeinderatsfraktion nicht zu!

Da geht es nicht um einen digitalen Mixer, Hand oder Herd, hier geht es um Forschung zu Künstlicher Intelligenz. Im Fachausschuss, also im Planungsausschuss führte nicht die Verwaltung ein, sondern gleich ein netter Herr aus dem Management des Bosch-Konzerns. Die Zeit war knapp, Der städtische Fachplaner kam garnicht zu Wort. Bosch hört sich solide an, klingt nach Tarifbindung der IG-Metall und ordentliche Beschäftigtenvertretungen. Aber weit gefehlt; in den neuen Betriebsformen und Unterformen der Bosch-Start-Ups sind Betriebsräte und Tarifbindungen kein Thema.
 

Bosch wird auch Wohnungen bauen. Wir wollen allerdings eine Beschränkung auf Boarding-Häuser verhindern, das sind Appartements für 6 Monate. Auch hier fordern wir, wenn überhaupt Vergabe, dann allenfalls durchmischt mit Sozialwohnungsquote und in Erbpacht. Die Stadtverwaltung sagt, das ginge nicht. Aber man höre und staune; der Vertreter des Managements widersprach und gab zu, dass Bosch in anderen Ländern, z.B. in der VR China, sehr wohl in Erbpacht baut.

Wir sagen: Keine Subventionierung der Konzerne! Kein Ausverkauf der Stadt!