Nachrichten aus dem Kreisverband

Bezahlbare Wohnungen statt Cyber Valley, kein Grundstücksverkauf an Bosch

Evelyn Ellwart, Linke-Stadträtin

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Palmer, sehr geehrte MitarbeiterInnen der Verwaltung, sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,

nachdem die anderen Fraktionen hier eben das Hohelied auf Cyber Valley – und auf den von der früheren SPD-Bürgermeisterin Russ-Scherer gegründeten Technologiepark Tübingen, der durch Cyber Valley nun endlich zu einem Erfolgsmodell wird, was die Euphorie insbesondere der SPD erklärt – nachdem die anderen Fraktionen also eben das Hohelied auf Cyber Valley gesungen haben, wollen wir Salz in die Suppe streuen. Indem wir drei kritische Bereiche aus dem Ganzen herausgreifen: das formale Vorgehen der Verwaltung, die städtebauliche Auswirkung und die inhaltliche Ausrichtung dessen, was da oben passiert:

1. Am 10. Juli diesen Jahres hallte der Jubelschrei bereits durch die Presse: „Bosch baut Zentrum für Ki in Tübingen“. Palmer jubelte öffentlich: Tübingen werde damit zu „Deutschlands KI-Standort Nummer eins“ und stoße europaweit in die „Top drei“ vor. Der Gemeinderat war nicht beteiligt. Eitelkeit und Gier nach schnellem Erfolg Geld und Berühmtheit lassen die demokratischen Spielregeln offenbar schnell vergessen. Und offenbar hat man es eilig und kann die Abläufe nicht abwarten. Und vielleicht hat man auch ein bisschen Angst, dass es einem der Gemeinderat und die BürgerInnenschaft verhageln könnte, was man sich so schön zusammen ausgedacht hat. Also versucht man schnell durch Meldungen Fakten zu schaffen.

Erst heute, genau 3 Monate später, liegt dem Gemeinderat, dem Gremium das die Tübinger Bürgerinnenschaft repräsentiert, endlich einmal die Optionsvergabe an Bosch vor.

Nach dem ersten Faux-pas der voreiligen Verkündung in der Presse passierte der zweite Faux-pas in der Einbringung der Vorlage im Planungsausschuss Mitte September. Ein Vertreter der Firma Bosch – also der Käufer!!! – saß vorne auf der Verwaltungsbank und hielt eine Art Werberede für Bosch. Er stand Rede und Antwort und die Stadtverwaltung verzichtete auf ihre Einführung durch den eigenen Stadtplaner Henzler. Auch liest sich die Vorlage wie ein Imageflyer für die Firma Bosch, was im Ausschuss von anderen Fraktionen bemängelt wurde. Wir haben nichts gegen die punktuelle Hinzuziehung von ExpertInnen oder auch KaufinteressentInnen zu einem Tagesordnungspunkt im Gemeinderat, aber in dieser Form war es unangemessen, massiv und auf gewisse Weise übergriffig.

Das spricht bereits Bände!

Wir kritisieren das. Hier werden bereits sichtbar Konzerninteressen mit städtischen Interessen vermischt.

Die Stadt muss ihre Unabhängigkeit wahren. Die Stadt muss die Interessen der Kommune im Blick haben und nicht die Interessen einer Firma.

Umso wichtiger ist es dass wir hier einmal genau hinschauen.

Was passiert hier genau?

2. Mit dieser Vorlage segelt uns ein UFO-artiges Gebilde auf den Horemer. Eine Art Raumschiff Enterprise. In diesem sollen Ideen produziert werden, rund um die Uhr soll geforscht und konferiert werden. Enthoben von Raum und Zeit. Außerhalb des Vorstellungsvermögens des Bosch-Gesandten. Auf Nachfrage konnte er nicht sagen, was dort eigentlich gemacht werden soll.

Er sprach von Arbeitsplatz der Zukunft. Er sprach davon, dass es wegen der Zeitverschiebung nachts Konferenzen gäbe. Er sprach von dem Cafe, das die Studenten zu Ideen anrege. Bezahlt werden sollten sie aber nicht für ihre Ideen. Der Herr von Bosch meinte, dann bräuchten sie ja Betriebsräte, die alles nur verkomplizieren.

Eine den komplizierten Regeln unserer Arbeitswelt enthobene Arbeitswelt soll hier also entstehen. Die schnell und günstig Ideen liefert, die von Bosch und anderen zu „Gold“ gemacht werden. Aus Stroh wird Gold gesponnen.

Wie im Märchen.

Ein Raumschiff, in dem aus Stroh Gold gesponnen wird und am Ende ist Bosch reich und Tübingen ist berühmt und „stolz“, wie es die Fraktionen heute im Gemeinderat bereits formulierten.

Kosten und Risiken allerdings werden sozialisiert. Die Kommune hat dann 700 Menschen hier, die außerhalb des Raumschiffs zumindest essen wollen, dann vielleicht auch wohnen, oder zumindest ihr Auto hier parken oder mit dem Bus kommen. Am Ende wollen sie Häuser bauen und machen Kinder. Was tut Bosch für die Gemeinkosten, die durch die Arbeitsplätze in der Stadt entstehen? Wird die Firma dafür in die Pflicht genommen? Ein „boarding house“ für „temporäres Wohnen“, das Bosch erbauen will, ist damit nicht gemeint. Das ist nicht das, was wir uns unter nachhaltiger Stadtentwicklung vorstellen.

Der Ortsbeirat Nordstadt hat mit nur einer einzigen Stimme für diese Ansiedlung gestimmt. Denn die Menschen im „Backyard“ der Ansiedlung ahnen bereits, was diese Ansiedlung an sozialen Folgen mit sich bringt. Wohnungen sollte man also auf den Horemer bauen und wenn nicht dort, dann auf das Baufeld von amazon. Damit hätte man die Interessen der Stadt gewahrt. Und nur weil man vor 20 Jahren einen Bebauungsplan aufgestellt hat, der nicht für Wohnbebauung war, ist dieser eben nicht „alternativlos“ wie heute Herr Henzler sagte, sondern kann und muss geändert werden.

3. Nun aber zum Inhaltlichen. Denn es ist nicht so, wie der Herr von Bosch, der im Ausschuss auf der Verwaltungsbank saß, sagt, dass man nicht wissen könne was da passiert.

Das Cyber Valley ist eine Sau, die 2016 bereits von der schwarzgrünen Landesregierung durch die Presse getrieben wurde. Mindestens hier begründete sich die Partnerschaft von Bosch und amazon.

Der Vorstandssprecher des Cyber Valley Herr Black, ist ein amazon scholar. Also ein von der Firma amazon bezahlter Wissenschaftler. Der gleichzeitig von den Max PlanckInstituten bezahlt wird und Professor ist. Der Amazon Gelehrte verpflichtet sich dazu mit seinem Wissen die Kundschaft von amazon zum Kauf der Produkte zu bringen. Herr Black hat 2017 sein Start-Up von amazon aufkaufen lassen. Body-Labs hieß sein Startup. Der menschliche Körper als digitale Plattform. Heute wird mit Body Labs Online-Kleidungsverkauf bei amazon angekurbelt.

Das ist ja nur amazon sagen manche, aber Bosch sei anders. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen Christoph Joachim meinte eben: Bosch seien die Guten.

Ja? Ist das so? Ist Bosch anders? Die Guten?

Der Vertreter des Vorstandssprechers des Cyber Valley, also von Herrn Black ist der Bosch-Mitarbeiter Thomas Kropf.

Bosch wirbt auf seiner Homepage für das Smart Home mit der Amazon Alexa Sprachsteuerung.

Ich zitiere:

Die Zusammenarbeit zwischen Bosch Smart Home und amazon machts möglich. In Verbindung mit intelligenter Spracherkennung können Sie ganz einfach via Sprachbefehl auf verschiedene Funktionen der Bosch smart home Produkte zugreifen.

Wer Bosch sagt, bekommt amazon. Wer heute B sagt, hat morgen A hier. Es handelt sich hier um eine Art symbiotischer Einheit. Bosch und amazon spazieren uns hier Arm in Arm ins Haus.

Die Unabhängigkeit der Forschung ist gefährdet, wenn Multikonzerne an der Uni mitmischen. Forschung wird zur Hure der Konzerne.

Daran ändert auch die bedeutungslose Ethikommission nichts. Ein Zusammenschluss von Global Playern und Weltkonzernen in einem Forschungsverbund mit Universität ist nicht mehr von der Politik kontrollierbar. In globalen Kontexten agierende Unternehmen entziehen sich gesellschaftliche Rahmensetzungen und demokratischen Grundregeln.

Das wollen wir verhindern.

Darum lehnen wir die Ansiedlung der KI-Forschung von Bosch in Tübingen ab.

Ich fasse noch einmal zusammen:

Wir fordern

1. Bezahlbare Wohnungen statt Cyber Valley

2. Wirtschaftsunabhängige Forschung. Eine klare Trennung von Wirtschaft, Forschung und Politik – auch hier im Gemeinderat

3. Ansiedelung von gemeinwohlorientierten, solidarischen und regionalen Firmen mit Tarifbindung und ArbeitnehmerInnenvertretungen statt Global Playern

4. Den Klimawandel stoppen und das Klima retten geht nur mit der Begrenzung des profit-orientierten Wirtschaftens. Nur ein anderes Wirtschaften wird eine Kehrtwende einleiten.

5. Städtischer Boden soll städtischer Boden bleiben. Er darf nicht Spekulationsobjekt werden. Darum soll die Stadt Tübingen Bebauung nur noch in Erbpacht zulasen. Auch bei Gewerbe. Auch gewerbliche Gebäude können einer neuen Nutzung zugeführt werden. Man muss sie eben so bauen. Und im Gegensatz zu OB Palmer war der Herr der Firma Bosch im Ausschuss der Ansicht dass dieses Gebäude das Bosch hier errichtet will den Bau der Zukunft darstellt, den die Stadt jederzeit wieder veräußern kann.

Für diese Forderungen werden wir uns hier im Gemeinderat in Zukunft immer einsetzen.