Nachrichten aus dem Kreisverband

Ausplünderung der Öffentlichen Haushalte beenden – Steuergesetze radikal ändern!

Dr. Emanuel Peter, Stadt- und Kreisrat, Rottenburg
KV TübingenPosition

Rede auf der Kundgebung "Wer hat, der gibt"

Mein Name ist Emanuel Peter, ich bin seit 12 Jahren Stadtrat der Linken in Rottenburg und Kreisrat im Landkreis Tübingen. Ich möchte auf die Frage eingehen: Was haben die Steueroasen und der Finanzmangel für öffentliche Pflegeheime, Krankenhäuser und Renten miteinander zu tun?

Zunächst einmal: Woher kommt das Geld in den Steueroasen? Es hat nichts, aber auch gar nichts mit einer eigenen Leistung zu tun. Sondern es stammt aus der privaten Aneignung von gesellschaftlich erarbeitetem Reichtum, z.B. über die Aktiengewinne der großen DAX-Konzer­ne, wo eine Familie Quandt allein aufgrund ihres Aktienbesitzes eine Milliarde Euro an Profi­ten einstreicht – jährlich! Trotz Corona-Pandemie wurden in Deutschland die höchsten Aktien­gewinne seit Bestehen der Bundesrepublik erzielt.

Ebenso stammen die Milliarden aus Share-Deals. Dabei wird der Erwerb von teuren Wohnun­gen oder Gewerbegebäuden in unseren Großstädten unter den Neu-Eigentümern so aufgeteilt, dass keine Grunderwerbssteuer mehr gezahlt wird. Oder die Gelder stammen aus krimi­nellen Cum-Ex-Geschäften, die viele Banken vermittelt haben. Oder aus der Geldwäsche mit Immo-biliengeschäften, denn Deutschland ist eine Steueroase für Geldwäscher!

Auf der britischen Kanalinsel Guernsey unweit der französischen Küste haben einige superrei­che Deutsche 170 Milliarden Euro gebunkert, d.h. der deutschen Steuer entzogen. Damit kön­nen wie 2010 Börsenspekulationen für Getreide, illegale Waffengeschäfte oder neoliberale Think Tanks, Politiker und angebliche Experten bezahlt werden. Aber diese 170 Mrd. Euro sind nur ein Bruchteil des gesamten Privatvermögens einiger superreicher Deutscher. Schon 2017 betrug das deutsche Privatvermögen laut offiziellem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregie­rung 12 Billionen Euro. Damit könnten die öffentlichen Staatsschulden sechsmal bezahlt wer­den, die so genannte Schuldenbremse wird zur reinen Pharce!

Aber sind wir neidisch auf den obszönen Reichtum einer kleinen Minderheit?
Wer diesen Reichtum als asozial kritisiert oder auf die Sozialverpflichtung des Eigentums im Grundgesetz verweist, wird schnell als Neidhammel bezeichnet. Wir wären bloß neidisch auf den Luxus dieser Personen in ihrer abgeschotteten Parallelgesellschaft. Und wer die Wiederein­führung der Vermögenssteuer fordert wie der Paritätische Wohlfahrtsverband, gefährde den wirtschaftlichen Wiederaufschwung nach der Corona-Pandemie. Gemäß dem Motto „Wes Brot ich fress, des Lied ich sing“ fordert die FDP jetzt eine Steuersenkung für alle Einkommen über 300.000 Euro und gleichzeitig eine Kürzung der Rente mit 63 Jahren. Wie Christian Lindner das Steuerloch seines Programms von 90 Milliarden Euro schließen will, weiß selbst er nicht. Angesichts der Milliardenschäden durch die Hochwasser-Katastrophe kann man diese Partei nur noch als weltfremd bezeichnen. Da klingt das Urteil der EU-Kommission über die Bundes­regierung von 2017 wesentlich realistischer, ich zitiere: „Im Zeitraum 2008 bis 2014 hat die deutsche Poli­tik in hohem Maße zur Vergrößerung der Armut beigetragen“.

Angesichts der wachsenden sozialen Spaltung und der Zerstörung der natürlichen Ressourcen der Erde halten wir den Superreichen nicht nur in Deutschland die Weissagung der Cree entge­gen: Erst wenn der letzte Baum gerodet – der letzte Fluss vergiftet – der letzte Fisch gefangen – werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann.

Was sind die Folgen dieses obszönen Reichtums?
Zunächst einmal werden durch die Milliarden in den Steueroasen Gelder für den Wirtschafts­kreislauf in unserem Land entzogen. Dadurch fehlen bei uns riesige Geldmengen für öffentli­che Investitionen in die kaputte Infrastruktur unseres Landes, in marode Eisenbahn- und Stra­ßenbrücken, in sanierungsbedürftige Krankenhäuser, in Pflegeheime und Schulen und natürlich in das Personal für diese Einrichtungen. Laut Gemeindetag Baden-Württemberg fehlten 2019 allein den Kommunen über 160 Mrd. Euro für diese notwendigen Investitionen. Dabei sind un­sere Kommunen und Landkreise systemrelevant. Denn zwei Drittel aller öffentlichen Investitio­nen werden über sie getätigt. Die Finanzierung der Regionalstadtbahn und der gesamte Ausbau des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs leiden unter Geldmangel, die Regionalstadtbahn soll gegen Gelder für die Daseinsvorsorge in unseren Kommunen ausgespielt werden. „Man kann eben jeden Euro nur einmal ausgeben“, so Landrat Joachim Walter von der CDU im Kreistag. Trotzdem werden 50 Mio. Euro als Subventionen für das Tübinger Batteriewerk des Porsche-Konzerns locker gemacht. Und Oberbürgermeister Palmer lockt mit mehr Gewerbesteuern für Tübingen. Dabei werden Gewerbesteuern einer Firma wie Porsche nach der Lohnsumme der Beschäftigten in den einzelnen Zweigwerken gesplittet – Tübingen erhält Brosamen und Por­sche zahlt durch die Subvention jahrelang keinen Cent mehr.

Doch zurück zu meiner Ausgangsfrage: Was hat die Umverteilung von unten nach oben mit­hilfe der Steuerpolitik mit den Milliardenlöchern von Krankenhäusern, Pflegeheimen und in der Rentenkasse zu tun?
Ein Beispiel: Die fehlenden Steuereinnahmen in den öffentlichen Haushalten verursachen
einen Zwang für Kommunen und Länder, die öffentliche Daseinsvorsorge wie Straßenbau, Zugverkehr und Pflegeheime privat zu finanzieren. So sind in Deutschland inzwischen 20 Pro­zent aller Pflegeeinrichtungen in privater Hand, zum Teil in Händen von schwedischen Ka­pitalgesellschaften. Die Investoren wollen damit zweistellige Renditen erwirtschaften. Wie das funktioniert, kann man am Neubau des Pflegeheims in Rottenburg-Ergenzingen sehen. Die Stadt will keine 10 Mio. Euro in einen Neubau investieren und sucht deshalb nach einem priva­ten Investor. Von ihm will sie dann das Heim pachten oder mieten. Für die Heimbewohner wird sich allein der Investitionskostenanteil in ihrem Pflegesatz auf etwa 840 Euro pro Monat ver­dreifachen. Der grüne Sozialminister Lucha hat gegenüber dem Sozialverband VdK kategorisch die Übernahme des Investitionskostenanteils verweigert. So werden immer mehr Pflegebedürf­tige im Alter arm gemacht oder sozial ausgegrenzt, weil sie die Pflege von ihrer gekürzten Ren­te nicht bezahlen können.
Dieses Vorgehen hat System und zielt darauf, den gesamten Sozialbereich durch Privatisierung den Profitinteressen von Konzernen zu unterwerfen. Das begann mit der Umwandlung des Rentensystems unter der Agenda-Politik Gerhard Schröders. 2001 wurden die Beschäftigten gezwun­gen, private Riester-Verträge bei Versicherungsgesellschaften abzuschließen und zugleich wur­de der größte Niedriglohnsektor Westeuropas mit nicht-sozialversicherungs-pflichtigen Billig­jobs eingeführt. In Rottenburg sind mittlerweile 30 Prozent aller Beschäftigten nicht-sozial-versicherungspflichtige Niedriglöhner!

Auf diese Weise wurden zwischen 2001 und 2014 über 1,2 Billionen Euro an die Unternehmer umverteilt und die gesetzliche Rente immer mehr ausgehöhlt. Inzwischen ha­ben wir ein so genanntes Drei-Säulen-System mit einer gescheiterten Riester-Rente, einer kapi­talgedeckten Betriebsrente und einer geschwächten gesetzlichen Rente, die immer geringer wird. Versicherungskonzerne wie die Allianz ziehen aus den Verträgen Renditen, über die sich ihre Aktionäre jährlich freuen. Allein mit der Betriebsrente haben Lebensversicherer 2016 über 18 Mrd. Euro eingenommen.

Insgesamt verhält es sich so: Die Superreichen eignen sich Milliarden an, die die Beschäftigen in Betrieben erwirtschaften. Durch Steuersenkungen und kriminellen Cum-Ex-Betrug werden dem Staat Gelder für Investitionen in Infrastruktur und Daseinsvorsorge entzogen. Die Kom­munen geraten in eine Zwangslage und müssen Aufträge an private Investoren vergeben. Diese machen auf Kosten von 90 Prozent der Bevölkerung mit ihrem Reichtum doppelten Gewinn, indem sie bei öffentlichen Investitionen zum zweiten Mal hohe Renditen einfahren. Dadurch besitzen aktuell 47 Familien in Deutschland so viel Reichtum wie die unteren 41 Mio. Men­schen in Deutschland zusammen!

Es ist hohe Zeit, diese Umverteilung von Unten nach Oben durch eine Steuerreform zugunsten der Mehrheit der Bevölkerung umzukehren, damit der Reichtum in die Hände derer zurück­kommt, die ihn erarbeitet haben! Denken wir global und handeln wir solidarisch und lokal!
Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit!