Nachrichten aus dem Kreisverband

Ästhetik vor Barrierefreiheit?

Lieber Herr Lederle,

mit dem Beschluss zur Neckargasse muss ich leben. Aber auf keinen Fall mit dem Vorwurf, ich wäre nicht kompromissbereit.

Schon in der Vorlage 82a/2016, zu finden in www.tuebingen.de/gemeinderat/suchen01.php , stellt Frau Martin im Sinne der Behindertenverbände eindeutig klar, dass die Gespräche zur Neckargasse zu keiner Zustimmung führten, sondern eben nur Kompromisslösungen waren. Dies gilt im Übrigen vor allem auch schon für das Gestaltungskonzept von 2010, dem wir damals nur zähneknirschend zugestimmt haben. Ich war dabei. Vorher wurden geradlinige Streifen gebaut (siehe Neustadtgasse oder Holzmarkt), die Marktgasse ließ gesägtes Granitkleinpflaster in Segmentbögen wegen der Steile auch nicht zu. Es wurde eine gerade Lösung gefunden. Kompromisse gingen nicht nur Mobilitätsbehinderte, sondern auch Blinde ein.

Herr Gumrich und ich wollten, dass die Unterbrechungen der Wasserrinne in der Neckargasse durch eine taktil spürbare Steinlösung und farbliche Veränderung den Blinden klar und deutlich bis zur Weiterführung der Rinne führen, die insgesamt als Orientierung gedacht ist. Die Unterbrechungen wiederum sind für vor allem Schieberollstühle zur Querung der Gasse unerlässlich.

Doch die Forderungen der Behindertenverbände, die Herr Gumrich und ich vertraten, wurden von OB Palmer und der Verwaltung für mein Gefühl abgeschmettert, weil sie etwas teurer sind, dem Gestaltungskonzept der Altstadt nicht entsprechen und der Stadt Tübingen Ästhetik halt doch bedeutsamer ist als Zweckmäßigkeit.

Für mich waren also die von Ihnen genannten "kompromissbereiten Fraktionen" und die Verwaltung alles andere als kompromissbereit.

Gotthilf Lorch, Stadtrat Tübingen, Die Linke