Nachrichten aus dem Kreisverband
Für eine solidarische Weltgesellschaft statt rassistischem Nationalismus
Liebe Leute, vielen Dank, dass ich hier sprechen darf und vielen Dank gleich an dieser Stelle an das Bündnis für die ganze Organisation.
Das Sprichwort sagt: Sowas kommt von sowas. Was soll das heißen? Vor 3 Jahren gab es ein breites Bündnis von Bürger:innen und Organisationen, die vor der Wiederwahl von Boris Palmer gewarnt haben. Die Mehrheit in dieser Stadt hat ihn aber wiedergewählt und sich die Suppe selbst eingebrockt.
Wer Boris Palmer wählt, bekommt Boris Palmer. Und wer Boris Palmer hat bekommt eine Veranstaltung wie heute abend. Sowas kommt von sowas. Möglicherweise erleben wir heute einen Höhepunkt des Palmerschen Größenwahns.
Ich persönlich bin voll dafür, dass man auch mit Rassisten und rechten Populisten diskutiert, dass man diese Leute inhaltlich und mit besseren Argumenten stellt, dass man der Auseinandersetzung um gute Politik, um Demokratie, um die Menschenrechte, um die Rechte von Minderheiten, um Rassismus und so weiter nicht aus dem Weg geht. Aber diese Veranstaltung heute abend hätte es nicht gebraucht oder ich sage es mal mit den Worten von Bärbel Bas:
Diese Veranstaltung heute abend ist Bullshit.
Wie bescheuert muss man sein, lädt man Faschos zu sich ein?! Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland gewährleistet und die AfD und konkret auch Frohnmaier sitzen in den Parlamenten und verbreiten ihren ekligen braunen Mist auf allen Kanälen. Es gab und gibt keinen einzigen vernünftigen Grund, um ausgerechnet in Tübingen und ausgerechnet in der größten Halle der Stadt ausgerechnet einen solch üblen Rassisten und Neonazi wie Markus Frohnmaier extra nach Tübingen einzuladen. Der einzige Grund heißt Boris Palmer. Warum will er sich mit dieser Veranstaltung noch wichtiger machen als er schon ist? Warum glaubt er, dass gerade er die AfD entzaubern könne? Warum glaubt er sogar noch, die Hauptrede bei der Gegendemo halten zu müssen, weil er das am Besten kann?
Ich will diese Fragen lieber nicht beantworten, aber eines ist klar: In diesem Saal werden heute abend nicht Boris Palmer und ein Rassist sitzen. Sondern es werden dort zwei Leute sitzen, die jeweils auf ihre besondere Art den Rechtsruck in unserer Gesellschaft repräsentieren. Boris Palmer hat in der Vergangenheit in steter Regelmäßigkeit seine Nähe zu AfD-Positionen bewiesen durch rassistische Äußerungen, durch reaktionäre Positionen in der Flüchtlingspolitik, die weit rechts von der CDU liegen. Ich brauche das hier nicht näher ausführen. Boris Palmer muss sich vorwerfen lassen, dass er ein dichotomes Weltbild vor sich herträgt – Schwarz und Weiß, Wir und Die, Deutsche und Nichtdeutsche, Geflüchtete und Wir. Eine kritische Auseinandersetzung über Rassismus ist also heute abend in diesem Saal nicht zu erwarten.
Liebe Leute, diese Veranstaltung heute abend ist nichts als eine Provokation gegen uns alle hier. Es ist eine Provokation gegen das linke, solidarische, antirassistische, diverse, vielfältige, menschliche... Tübingen und dagegen stehen wir heute und hier zusammen! Das Ergebnis bei der letzten Bundestagswahl hat doch sehr deutlich gezeigt: In Tübingen gibt es eine große Mehrheit links von der sogenannten Mitte. Wir wissen, dass dies dem Herrn Palmer nicht in den Kram passt und deswegen provoziert er mit dieser Veranstaltung. Aber jetzt genug über Boris Palmer.
Was ist eigentlich das Problem? Das Problem heißt Rassismus!
Es ist meine Überzeugung, dass es nicht auf der einen Seite die gute demokratische Mitte der Gesellschaft gibt und auf der anderen Seite die böse menschenfeindliche AfD. Die Realität ist leider komplizierter. Der Rechtsruck, den wir seit ein paar Jahren ganz massiv erleben, durchzieht die gesamte Gesellschaft. Bei vielen Themen sind die Überschneidungen viel größer als die Unterschiede. Das gilt insbesondere für die Flüchtlings- und Migrationspolitik und den Umgang mit geflüchteten Menschen hier in Deutschland. Was hier so alles passiert ist für jemanden wie mich, der seit vielen Jahren in der ganz praktischen Unterstützungsarbeit für geflüchtete Menschen tätig ist, nur sehr schwer auszuhalten.
Inzwischen haben wir im Bereich der Flüchtlingspolitik so eine Art rassistischen Konsens wie schon mal in den 90er Jahren. Die große Mehrheit der Bevölkerung trägt eine massive Anti-Flüchtlingspolitik mit. Warum ist das so? Im politischen Machtspiel funktioniert es leider immer noch sehr gut, verschiedene benachteiligte Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen. Geflüchtete Menschen sind dabei die Gruppe, die am Einfachsten als unerwünscht und nicht dazugehörig stigmatisiert werden können. Auch im 21. Jahrhundert scheint es in Deutschland immer noch gut zu funktionieren wenn rassistische Instinkte getriggert werden. Und in der letzten Zeit war es eben nicht die AfD, sondern die CDU-CSU, die eine massive Entrechtungs- und Entsolidarisierungskampagne gegen geflüchtete Menschen gefahren hat und hauptsächlich damit die Bundestagswahl in diesem Jahr gewonnen hat.
Wer konnte und kann sich von dieser Politik bestätigt fühlen? Die AfD. Wer ist durch diese Politik schwächer geworden? Nicht die AfD. Ist das der richtige Weg, um die AfD zu bekämpfen? Ich sage Nein.
Diese Politik hat üble Verschärfungen in der Flüchtlingspolitik gebracht. Stichworte: Grenzkontrollen, Zurückweisungen, Aussetzung Familiennachzug, keine Finanzierung von Seenotrettung, Ende von Aufnahmeprogrammen, Kumpanei mit den Taliban für Abschiebungen. Und sogar das an sich schon üble GEAS-Gesetz ist Dobrindt nicht scharf genug und es sollen jetzt auch noch Kinder inhaftiert werden.
Auf dieser Welt gibt es 120 Millionen Menschen, die wegen Kriegen, Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörung und vielen weiteren Gründen zur Flucht gezwungen sind, doppelt so viele als noch vor 10 Jahren. Es wird jetzt schon von der Politik und rechten Medien gefeiert, dass dass die Zahl der Asylanträge in Deutschland zurück gegangen ist. Aber hilft Grenzen dicht machen und Entrechtung gegen die Krisen und Kriege dieser Welt? Ich sage: Wir brauchen wieder eine andere Haltung im Umgang mit diesen Menschen und es muss deswegen immer wieder gesagt werden: Kein Mensch flieht freiwillig. Und kein Mensch ist illegal!
Noch nie war Politik gegen geflüchtete Menschen so hässlich und so wenig vereinbar mit den Menschenrechten wie zur Zeit. Hilft das gegen die AfD? Ich sage Nein. Denn denen kann man nichts recht machen, denen wird die übelste Abschottungs- und Abschiebepolitik nie übel genug sein.
Ich sage:
- Wir müssen raus aus dem Wettlauf der Hässlichkeiten.
- Die sogenannte Asyl- und Migrationswende a la Dobrindt kennt nur Abwerten, Abwehren, Ablehnen, Abschieben und das liegt voll auf der Wellenlänge der AfD. Wir brauchen eine Politik mit Herz und Verstand, die sich an die Menschenrechten und an die internationalen Rechtsnormen. Das kann der AfD den Wind aus den Segeln nehmen.
- Wir brauchen eine Politik, die konsequent die Ursachen von Flucht bekämpft. Es ist eine Binsenweisheit: Wer Waffen in die Welt exportiert und davon profitiert, trägt zur Fluchtursache Krieg bei.
- Wir brauchen eine Politik, die die soziale Infrastruktur und die soziale Daseinsvorsorge in Deutschland stärkt. Am Wohnraummangel und an fehlenden Kita-Plätzen sind nicht die Flüchtlinge schuld. Wir brauchen eine Wohnraumoffensive, die allen Bedürftigen und also auch den hierher Geflüchteten, den nötigen bezahlbaren Wohnraum bietet.
- Es gibt auch geflüchtete und Migrant:innen, die Straftaten begehen, Aber anstatt dabei ständig mit zweierlei Maß zu messen und einseitig zu skandalisieren brauchen wir eine Stärkung der sozialen Arbeit, der Präventionsarbeit und der psychosozialen Hilfen für Geflüchtete und andere Menschen.
- Statt Hasskampagnen brauchen wir die Stärkung von Strukturen und Menschen, die Geflüchteten zugewandt sind und sie im Integrationsprozess begleiten. Wir brauchen fachkundige Beratung für Aufenthalt und Bleiberecht. In der alltäglichen Arbeit für und mit geflüchteten Menschen bei PlanB ist nicht alles easy peacy und wir haben ganz schön zu kämpfen. Uns fehlt das Geld, es gibt zu wenig Leute, die sich dauerhaft engagieren, die ganzen Gesetze und bürokratischen Hürden machen unfassbar viel Arbeit. Solche Projekte müssen aber gestärkt und ausgebaut werden.
- Wir brauchen weiterhin die notwendige Solidarität mit Menschen, die Schutz brauchen. und keine Entrechtungen und großmäulige Law and Order Politik. Auf eine Welle von staatlichem Rassismus folgte in der Vergangenheit eine Welle rechtsextremer Gewalt. Dieser Entwicklung müssen wir mit aller Entschiedenheit entgegentreten.
Warum muss die AfD in Tübingen draußen bleiben?
Letzte Bemerkung: Es wird gesagt, dass die AfD bisher in der Stadt Tübingen keinen Fuss auf den Boden gebracht habe. Kein AfD-ler im Gemeinderat, keine Parteipräsenz in der Stadt. Das ist doch gut so, denn Tübingen soll möglichst sauber bleiben. Aber warum ist das so? Was ist Besonderes an Tübingen? Diese Stadt liegt doch auch in Deutschland und Tiktok und Facebook und die ganzen rechten social media Blasen gibt es doch hier auch. Liegt es etwa gar an Boris Palmer?
Nein es liegt an uns hier. An uns allen. An der starken Tübinger Zivilgesellschaft. An den vielen Menschen, die sich in Initiativen, Vereinen, Organisationen, Gewerkschaften oder wie auch immer engagieren, die für Solidarität und Schutz von Minderheiten arbeiten und eintreten, für vielfältige Lebensweisen, gleiche Rechte, Menschenrechte, gute Bildung, gute Gesundheitsversorgung, sozialen Zusammenhalt, für Umwelt- und Klimaschutz und die Abkehr von der fossilen Lebensweise und und und.
In dieser Stadtgesellschaft gibt es viele Menschen, denen es nicht nur um ihren eigenen Vorteil oder ökonomischen Profit geht und viele Menschen, die sich solidarisch, uneigennützig und vielfach auch völlig ehrenamtlich für das Wohl anderer Menschen einsetzen und zwar nicht nur für das Wohl von Biodeutschen mit deutschem Pass, sondern für alle Menschen, also auch die aus welchen Gründen auch immer hier Zugewanderten. Eine solche Zivilgesellschaft ist eine starke Kraft gegen den Rechtsruck und diese muss gestärkt werden und wir wollen uns nicht von Boris Palmer den Geldhahn abdrehen lassen. Für eine solche Gesellschaft und für eine solche starke Zivilgesellschaft lohnt es sich, zu arbeiten und zu kämpfen.
Wohlan Leute, halten wir es also mit Erich Kästner:
Es gibts nichts Gutes, außer man tut es!

